Das Herz
das gefunden hatte, worum es bei diesem ganzen Krieg ging?
Nach etwa einer Stunde kam Uwin wieder. »Nun, wie steht's, Meister Kettelsmit? Fündig geworden?«
»Ich glaube schon, Vater. Hier.« Er tippte auf einen Eintrag und las vor:
»Der Kapelle gestiftet von Seiner Majestät, König Kyril: Gottesstatue aus einem unbekannten Stein oder Edelstein, von einem Altar der Funderlinge unter der Burg stammend und vom König dem mächtigen Erivor gewidmet ...
Das könnte es doch sein. Aber danach habe ich keine Erwähnung mehr gefunden ...«
»Jetzt haben wir so etwas nicht in der Kapelle«, sagte Uwin bestimmt. »Das wäre mir aufgefallen.«
»Ihr habt mich nicht ausreden lassen, Vater. Ich habe keine weitere Erwähnung gefunden bis hier — fünfzig Jahre später, in Vater Timoids eigenem Eintragsbuch, vor knapp zehn Jahren: ›Die Kernios-Statue, die König Kyril der Kapelle stiftete, ist gestohlen worden. Ich habe König Olin informiert und die Durchsuchung der Burg eingeleitet. Ich vermute den Dieb unter den Bediensteten.‹ Später erwähnt er, dass mehrere Bedienstete verhört und auch geprügelt worden seien, man aber von der Statue keine Spur gefunden habe.«
»Haben wahrscheinlich die falschen Bediensteten geprügelt«, sagte Uwin fröhlich. »Wäre vielleicht gar nicht nötig gewesen. Ihr kennt doch sicher die berühmte Geschichte von dem Dieb, der einen goldenen Kelch von einem Perinsaltar stahl und dem sich das Gefäß durch die Tasche brannte, als wäre es geschmolzen ...«
»Nun ja, falls diese ... ›Kernios-Statue‹ jemanden verbrannt hat, ist es nirgends verzeichnet. Aber die wichtigste Frage ist doch,
wo ist sie geblieben?«
»Vor zehn Jahren?« Uwin schüttelte den Kopf »Jemand hat die Statue vor zehn Jahren gestohlen, wo hier jeden Tag ein paar hundert Leute auf der Burg ein- und ausgehen und Dutzende von Schiffen an- und ablegen ...? Das Ding ist verschwunden. Tröstet Euch und den Reichshüter damit, dass es nicht viel wert gewesen sein kann, wenn nach dem Diebstahl so wenig Aufhebens darum gemacht wurde.«
»Ich glaube nicht, dass das Hendon Tolly ein großer Trost sein wird«, sagte Kettelsmit. »Aber ich werde es ihm sagen.«
Auf dem Rückweg fragte sich Kettelsmit, was er dem Reichshüter berichten sollte. Es habe da eine Statue gegeben, aber sie sei vor Jahren verschwunden. Nicht gerade die Sorte Resultat, die Tolly erfreuen würde.
Die Idee kam ihm just in dem Moment, als vier Männer aus dem Schattendunkel unter der Lagunenbrücke traten.
»Bitte, Leute, ich bin in Eile«, sagte er. »Ich habe kein Geld ...«
»Ganz arm seht Ihr aber nicht aus«, sagte der Anführer, ein Kerl, der nur ein Auge hatte, aber überaus breite Schultern und einen nicht minder imposanten Bauch. »Wenigstens diese hübschen Kleider werden wir von Euch kriegen.«
Kettelsmit hatte durchaus einiges dabei, was sie nicht verschmähen würden, zum Beispiel das Gebetbuch, das er Elan hatte schenken wollen. Doch als die drei anderen hinter ihren Anführer traten, ging ihm plötzlich auf, dass diese Männer sich vielleicht nicht damit begnügen würden, ihn auszurauben. Aber wenn sie ihn töteten, würde er nie erfahren, ob die Kernios-Statue wirklich Hendons Gottstein war?
Er hob die Hände. »Lasst mich etwas klarstellen.« Er griff langsam in sein Wams und zog den Geleitbrief heraus, den ihm Tolly gegeben hatte. »Ich stehe im Auftrag des Reichshüters persönlich. Wenn ihr mit eurem derzeitigen Leben nicht zufrieden seid, dann haltet mich nur einen Moment in meinen Verrichtungen für ihn auf, und ihr werdet erfahren, was wahres Leiden ist.«
Einer der Männer sah zuerst ihn, dann Einauge an. »Er arbeitet für Tolly.«
»Behauptet er?«, sagte der Anführer, aber die anderen wandten sich bereits ab.
»Ich will nicht, dass meine Eier in die Lagune fliegen und mein Kopf gleich hinterher«, sagte einer. »Wir suchen uns lieber jemand anders.«
So kam es, dass Kettelsmit kurz darauf in seinem alten Zimmer im Dienstbotentrakt der Burg stand und Puzzle wachrüttelte.
»Los, Alter, aufgewacht?«, rief er. »Ihr müsst mir erzählen, was Ihr über eine Kernios-Statue wisst, die vor Jahren aus der Erivor-Kapelle gestohlen wurde.«
Und trotz seines Schrecks und nachfolgenden Missmuts erzählte der alte Hofnarr Kettelsmit alles, woran er sich erinnerte.
»Bei den leisen Sohlen Zoriens«, sagte Kettelsmit, als der alte Puzzle schließlich schwieg, »das wird ja immer verrückter.« Er erhob sich, ging in der
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