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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Moment, bis Briony merkte, dass der Prinz sie seltsam ansah, und nicht nur er, sondern auch sein oberster Offizier und einige andere. »Ihr wisst es nicht?«, fragte Eneas.
    »Was?« Doch da war schon dieses Schwindelgefühl, als ob das, was sich wie fester Boden angefühlt hatte, unter ihr wegbräche. »Sprecht!«
    Eneas seufzte. »Euer Vater ist bereits fortgebracht worden«, sagte er. »Einige unserer Spione berichten, ein Trupp von über hundert Bewaffneten habe einen Gefangenen in die Tunnel der Felshügel an der Bucht geführt.« Er streckte die Hand nach ihr aus, doch Briony wich zurück. »Es tut mir leid, Prinzessin, aber das war Euer Vater, König Olin. Er ist bereits außer Reichweite — im Augenblick jedenfalls.«
    Die Tränen, die sie seit dem Vorabend unterdrückt hatte, schossen ihr jetzt plötzlich in die Augen; Briony wusste, sie konnte sie nicht mehr zurückhalten. Sie drehte sich brüsk um und verließ das Zelt, auf der verzweifelten Suche nach einem Plätzchen, wo Eneas und die anderen sie nicht hören konnten, wenn sie richtig zu weinen begann.

    »Es wird nicht hilfreich sein, mit ihr zu streiten«, hatte ihn Saqri gewarnt, aber Barrick hatte es satt, sich von den Qar in all ihren Erscheinungsformen sagen zu lassen, was er zu tun und zu denken hatte. Als sich Yasammez und ihre Leibwächter in Richtung Qar-Lager entfernten, folgte er ihnen durch die Gänge.
    Dort angekommen, musste er feststellen, dass die furchterregende dunkle Zwielichtlerfürstin bereits in ihrem Zelt verschwunden war. Der vor dem Eingang wachende Elementargeist wollte ihn nicht einlassen, aber Barrick blieb stur stehen und ignorierte die Gesten der Kreatur ebenso wie die stummen, ärgerlichen Drohungen, die sie ihm auf dem Gedankenweg übermittelte. Die Feuerblume bedeutete doch wohl, dass er einen gewissen Rang unter diesen Wesen hatte, und den würde er jetzt nutzen. Der Glutschein des Tiefen Lichts, der durch die Tuchgewandung des Elementargeists drang, flackerte immer heller und erregter, aber Barrick Eddon würde sich nicht wie ein Bediensteter behandeln lassen. Er mochte vielleicht ein Narr sein, noch dazu ein
sterblicher
Narr, aber er hatte unglaubliche Härten und Gefahren überstanden, um jetzt hier zu sein — so leicht würde ihm Yasammez nicht entkommen.
    Endlich legte sich das halbverhüllte Lodern. Der Elementargeist trat, nicht ohne ein letztes Protestflackern, beiseite, als Barrick an ihm vorbeimarschierte.
    Yasammez war allein im Zelt, ohne Ratgeber und sogar ohne Wachen. Barrick fragte sich, ob das hieß, dass sie ihm traute, oder ob sie ihn einfach nicht für eine reale Gefahr hielt. Das zornige Selbstvertrauen, das ihn dazu getrieben hatte, ihr zu folgen, begann zu bröckeln, als er sie im Schneidersitz dasitzen sah, so reglos wie eine Steinstatue, die blassen Hände auf den Knien.
    »Was willst du, kleiner Blutbehälter?«, fragte Yasammez.
    Er hatte sich inzwischen so an diese neue, seltsame Art des Hörens und Sehens gewöhnt, dass er im ersten Moment nicht hätte sagen können, ob ihre Worte lautlos übermittelt oder ausgesprochen worden waren, doch dann nahm er eine winzige Vibration in der stehenden Luft des Zelts wahr. Er beschloss, ebenfalls laut zu sprechen. Vielleicht glaubte sie ja, ihn ärgern zu können, indem sie per Schall mit ihm sprach, als wäre er einfach irgendein Sterblicher, aber wenn dem so war, wusste sie nicht, wie Barrick Eddon sich verändert hatte. »Ich möchte mit Euch sprechen, Großtante.«
    »Ich bin nicht deine Großtante. Das Blut, das in dir ist, gibt dir mir gegenüber keinerlei Rechte, so wenig wie dich der Diebstahl eines königlichen Siegelrings befähigen würde, Befehle im Namen des Königs zu erteilen. Dieses Blut — das heilige Blut unserer Familie, die Gabe unseres göttlichen Stammvaters — wurde nämlich gestohlen.«
    Jetzt war er wirklich zornig, beherrschte sich aber. »Erzählt mir nichts von Siegelringen und königlichem Blut, Fürstin Yasammez. Meine Familie mag ja nicht so alt sein wie Eure — zumindest unser Thron nicht —, aber über die Rechte von Königen und Königinnen weiß ich eine Menge. Diese Rechte haben ihren Preis, und dazu gehört, das zu tun, was für das eigene Volk das Beste ist. Glaubt Ihr wirklich, nicht für Südmark zu kämpfen, wäre das Beste für Euer Volk?«
    Sie legte den Kopf schief wie ein Reiher, der einen Fisch beobachtet. »Ha! Ich werde von einem frisch geschlüpften Krötenjungen belehrt, das noch feucht vom

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