Das Herz
Teichwasser ist.« Sie zeigte ihre Zähne, aber es war kein Lächeln. »Ich habe meinen Leuten die Wahrheit gesagt. Es ist zu spät, um einen siegreichen Kampf zu führen. Wir tun besser daran zu akzeptieren, was geschrieben steht, zu fliehen und vielleicht ein wenig länger zu leben oder auszuharren und hinzunehmen, dass die Lange Niederlage endgültig da ist.«
»Ihr gebt also auf?« Er starrte sie an, und die Stimmen in seinem Kopf flüsterten tausend verschiedene Dinge — ein wirrer Sturm von Geheimnissen, alten Geschichten, halbvergessenen Geschehnissen, Schlachtfeldszenen, und im Mittelpunkt immer die schattenhafte, schwarze Gestalt der Fürstin Stachelschwein wie die Hexe aus einem Kindermärchen. »Nein. Das glaube ich nicht. Ihr ergebt Euch nie. Jeder weiß, dass Ihr bis zum letzten Blutstropfen für Euer Volk kämpfen würdet, warum also ratet Ihr diesem Volk, etwas zu tun, das Ihr selbst nie tun würdet? Was verstehe ich nicht, Fürstin Yasammez?«
Diesmal entblößte ihr wölfisches Grinsen ihre Zähne so weit, dass es aussah, als erwöge sie, ihm an die Kehle zu springen. »Du bist ein höchst lästiger Sterblicher, Barrick Eddon. Was macht dich deiner selbst so sicher? Schau dich doch an! Du bist eine Vogelscheuche, zusammengeschustert aus den Hinterlassenschaften anderer — in deinen Adern fließt das Blut Höherer, du bist von senilen Träumern verzaubert worden und hast die Gabe der Feuerblume erhalten, auch wenn du es unmöglich verstehen kannst. Warum sollte ich dir auch nur eine Audienz gewähren? Warum sollte überhaupt irgendjemand mit dir verhandeln — einem bloßen Kind, das alles, was es außergewöhnlich macht, von anderen bekommen hat?«
Sie hatte recht, was es noch wichtiger machte, dass er nicht die Beherrschung verlor. Ihre Frage war rhetorisch, denn sie enthielt bereits die Wahrheit — es gab keinen Grund, warum sie mit ihm reden, sich in irgendeiner Weise verteidigen sollte.
»Warum tut Ihr es dann?«, fragte er. »Warum redet Ihr überhaupt mit mir?« Barrick trat einen Schritt auf sie zu. Ihre Kraft war fast mit Händen zu greifen. In ihm sang die Feuerblume von Schmerz und Niederlage und Mut. »Ihr erinnert mich an jemanden, Fürstin Yasammez.«
Eine spinnwebfeine Augenbraue hob sich. »Ach ja? An jemand Sterblichen?«
»Ich habe bis vor ein paar Tagen nicht viele Unsterbliche gekannt.« Unaufgefordert setzte er sich im Schneidersitz vor sie hin. »Ja, an jemand Sterblichen. Meinen Lehrer, Shaso dan-Heza. Er war der größte Krieger seines Volkes, sagte man mir, genau wie Ihr die größte Kriegerin des Euren seid. Aber er hat seine innere Kraft verloren.«
Das Raubtierlächeln erschien wieder. »Ich habe meine innere Kraft nicht verloren.«
»Das dachte Shaso auch, aber er hat sie verloren. Ihr müsst wissen, mein Vater hat ihn gefangen genommen und in die Fremde gebracht, weit weg von seinem Volk. Und obwohl er uns unterrichtet hat und schließlich Waffenmeister von Südmark wurde, ist ein Teil von ihm immer in Tuan geblieben, in Xand — und in den alten Zeiten.«
»Du meinst also, ich bin in der Vergangenheit gefangen? Ist das dein wohlerwogenes Urteil, neunmalkluger Prinzling?«
»Ich glaube, Ihr seid genauso verkrüppelt, wie er es war — durch die Entfernung. Bei Shaso war es die Entfernung von Tuan, das für ihn immer realer war als Südmark, obwohl er nie dorthin zurückgekehrt ist. Bei Euch, glaube ich, ist es die Entfernung zwischen
damals
und
jetzt —
zwischen einer Zeit, die Ihr verstanden habt, und dieser seltsamen heutigen Zeit, da Ihr, um ein größeres Übel zu bekämpfen, mit denen gemeinsame Sache machen müsst, die Ihr als Verräter und Feinde betrachtet ... mit Sterblichen.«
»Ich tue, was für das Volk das Beste ist«, sagte die dunkle Fürstin, aber ihre Gelassenheit schien jetzt erstmals ein wenig zu bröckeln. »Du könntest die Feuerblume jahrhundertelang in dir tragen, und es käme dir immer noch nicht zu, über mich zu urteilen ...«
»Dann sagt mir doch — als Ynnir Euch die Idee mit dem Pakt des Spiegelglases unterbreitete, was habt Ihr da gesagt?« Die Feuerblume hatte ihm die Antwort bereits auf den Schwingen leiser Beinahe-Erinnerung gesandt.
Wieder legte Yasammez den Kopf schief. Es hieß ja, der Autarch von Xis habe den Falken als Wappenzeichen — nun, hier saß ein echter Jagdvogel, funkeläugig und gnadenlos. »Ich habe ihm erklärt, wir dürften nicht zulassen, dass die Feinde des Volkes die Lange Niederlage beschleunigen.
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