Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Wir hätten keine andere Wahl mehr, als zu kämpfen, wenn wir uns nicht ergeben wollten.«
    »Aber jetzt fordert Ihr praktisch, dass wir uns ergeben. Königin Saqri ist zurückgekehrt! Der Autarch plant, die Götter zu erwecken — selbst Ihr habt doch gesagt, dass das für uns alle eine Katastrophe wäre. Warum wollt Ihr nicht kämpfen, Yasammez?«
    Er fühlte, wie die Rankenarme ihres Denkens an ihm zupften, während sie schweigend überlegte. »Ich will nicht kämpfen, weil es keinen Sinn mehr hat«, erklärte sie schließlich. »Das Ende der Langen Niederlage ist da — das sehe ich jetzt. Das Volk ...
mein
Volk«, und dabei bedachte sie ihn mit einem so sengenden Blick, dass er seine Wimpern förmlich zusammenschnurren fühlte, »hat getan, was es konnte. Mit einer bloßen Handvoll Kriegern haben wir eure zehnmal so großen Armeen geschlagen. Aber der König von Xis hat das Hundertfache dieser Streitmacht, wenn nicht mehr, und Priester und Magier, deren Künste wir noch gar nicht gesehen haben. Über einen solchen Gegner ist kein Sieg möglich.«
    »Dann wollt Ihr also die Sterblichen von Südmark — nicht nur mein Volk, sondern auch die Funderlinge — allein kämpfen und sterben lassen, während Eure Truppen tatenlos zusehen? So wollt Ihr das letzte Kapitel der Langen Niederlage schreiben? Als Seiten voller Feigheit und Gleichgültigkeit?«
    »Würde und Feigheit sind verschiedene Dinge, Menschenkind.«
    »Dann lasst Eure Leute kämpfen, wenn sie wollen! Ihr könnt ja in Würde zuschauen, während wir Übrigen so tun, als hätten wir eine Chance.« Er war jetzt wütend, und der unfassbare Alters- und Erfahrungsunterschied zwischen ihnen schien plötzlich nicht mehr wichtig. »Saqri ist hierhergekommen, um an Eurer Seite zu kämpfen. Ich glaube nicht, dass sie hier ist, um einfach nur zuzuschauen, wie andere abgeschlachtet werden.«
    Yasammez wirkte jetzt anders, wie eine verletzte Kreatur, die vielleicht immer noch zubeißen würde. Eine ganze Weile sah sie ihn gar nicht an, aber er fühlte ihren Zorn, kalt und heftig. Als sie abrupt aufstand und unter die Brustplatte ihrer Rüstung griff, riss er sogar die Hand hoch, weil er einen Dolchwurf befürchtete. Doch sie zog etwas hervor, das an einer schwarzen Kette hing, etwas, das so rot glühte wie geschmolzenes Eisen, und hielt es ihm hin. Ihre Gedanken waren wie eine brodelnde Gewitterwolke, aber wenn er auch ihren Zorn und ihre Verzweiflung fühlte, war doch der Hauptteil vor ihm verborgen. Und da war noch etwas anderes, etwas Tiefes, das ihm Angst machte, das er aber nicht identifizieren konnte.
    »Nimm das Siegel des Krieges«, sagte sie. »Nimm es und gib es Saqri. Oder behalte es selbst, wenn du willst. Das ist mir gleich. Wenn ich nicht mehr urteilsfähig bin, bin ich auch nicht mehr fähig, das Kommando zu führen.«
    Er starrte auf das baumelnde, glühende Ding. »Aber ...«
    »Nimm es!«
    Er nahm es so vorsichtig wie eine Giftschlange. Sie sah ihn an, als er den schweren Edelstein in seinen Handteller senkte, und er hätte schwören können, dass da Hass in ihren Augen war, wenn er sich auch nicht sicher war, warum.
    »Weil ich ein Sterblicher bin?«, fragte er. »Weil meine Familie die Feuerblume gestohlen hat?«
    Sie verstand, worauf sich seine Frage bezog. »Aus allen diesen Gründen«, sagte sie. »Und noch weiteren. Kämpft, wenn ihr wollt. Es wird das Ende nur schwerer machen. Und wenn sich die Welt verkehrt herum dreht und ihr siegt? Auch dann ist das Volk zum Untergang verurteilt. Die Feuerblume wird keinen neuen Träger finden — die königliche Blutslinie der Qar ist erloschen, da ist nur noch Saqri. Also geh, kleiner Sterblicher, geh und erzähl überall herum, wie du die Fürstin Stachelschwein herausgefordert und es überlebt hast. Das ist eine nette Geschichte, um die Stunden zu verkürzen, bis der Tod uns alle holt.«
    So viel Grimm lag in ihren Worten, so viel Wut in ihrem Blick, dass Barrick plötzlich nichts mehr sagen konnte. Die Kette mit dem Kriegssiegel fest in der Faust, stolperte er aus dem Zelt.

    Briony war nicht so dumm, sich weit vom Lager zu entfernen, aber im Unterschied zu Eneas und seinen Tempelhunden, die ganz zufrieden damit schienen, konnte sie nicht den ganzen Tag herumsitzen. Dafür waren in ihr zu viel Wut und Enttäuschung. Sie musste sich bewegen.
    Sie fand einen Hang in Sichtweite der Lagerwachen und machte sich daran, ihn zu erklimmen. Es war ein grauer Tag, aber ab und zu zeigte sich blauer Himmel zwischen

Weitere Kostenlose Bücher