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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wahnsinnige König benutzt. Wenn die Lange Niederlage unser Volk endgültig ereilt, werden es die meisten von uns annehmen, denn wer wollte in einer Welt ohne die Schönheit des Zufalls leben?« Sie betrachtete den Stein einen Moment und streifte sich dann behutsam die Kette so über den Kopf, dass das Kriegssiegel auf ihrem weißen Brustpanzer ruhte.
    »Ruft alle aus ihren Lagern herbei — die Kinder des Wassers, die Kinder der Luft und alle Mitglieder des Volkes, die dem Siegel des Krieges Gefolgschaft leisten. Sagt ihnen, wir treffen jetzt letzte Entscheidungen. Das Ende des Götterkrieges ist da.«
    Und so kamen sie alle, die Qar und ihre alten Verbündeten, Dachlinge und Skimmer, in die Höhle nahe dem Funderlingstempel, eine große, niedrige Kammer voller Kalksteinsäulen. Saqri saß an einem kleinen, flachen Bassin in der Mitte der Höhle, und alle anderen gruppierten sich darum wie die Ritter an Landers berühmtem Hof, nur dass es keine Tafel war, um die sie sich versammelten, sondern ein flüssiger Spiegel, der das Licht ihrer Fackeln und Laternen reflektierte. Altanias Leute standen in ihrer Miniaturformation direkt neben Saqri, Turley und die Skimmer wiederum neben den Dachlingen. Die Anführer der verschiedenen Qar-Sippen säumten den Rest des Wasserbassins, und ihre Leute drängten sich hinter ihnen. Selbst die Obereremitin Aesi'uah, die Frau mit den dunklen Augen, war da. Nur Fürstin Yasammez fehlte. Für Barrick war es eine seltsame Vorstellung, dass Fürstin Stachelschwein jetzt allein und verbittert irgendwo unter seinem ehemaligen Zuhause umherwanderte, aber er glaubte sie zu verstehen. Sie war nicht der Typ, der kapitulierte, hatte es aber getan. Jetzt wollte sie nicht mit ansehen, wie Entscheidungen ohne ihre Mitwirkung gefällt wurden.
    »Einst waren wir
ein
Volk!« Saqris Stimme klang so hart und gleichzeitig lieblich wie das Läuten einer steinernen Tempelglocke. »Einst waren wir
ein
Gesang. Jetzt sind wir Dutzende verschiedener Melodien, doch heute vereinen wir uns wieder zu einem harmonischen Klang. Die Kinder der Schwarzen Erde — die Funderlinge, wie sie hier heißen — sind uns vorangegangen und kämpfen bereits gegen den Feind, doch für uns sind sie Drags und von jeher ebenfalls Teil der Familie, so weit wir uns auch voneinander entfernt haben mögen. Die Skimmer sind hier bei uns. Wir nennen sie Kinder des Ozeans, und wenn man sie auch im Lauf der Jahrhunderte etliche Male dazu bringen wollte, diesem oder jenem Führer zu folgen, sind sie doch so frei geblieben wie das Meer. Wir sind stolz, dass sie an unserer Seite kämpfen werden.
    Und da sind Donners Kinder, die kleinsten von allen an Gestalt, aber nicht an Mut. Ihre Verwandten, die Stoltewichte, leben bis heute in den Schattenlanden, manche in der Wildnis, andere in den Ortschaften und Städten. Vielleicht werdet ihr eines Tages mit ihnen wiedervereint sein. Vielleicht auch nicht. Nichts ist leicht zu sehen oder zu verstehen, so nah am Zusammenbruch der Dinge.
    Und wir werden auch neben Menschen kämpfen, neben jenen, die wir einst ›Steinaffen‹ nannten, ehe wir ihre Stärke respektieren und ihre Intoleranz fürchten lernten. Ohne sie wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Barrick Eddon, der Thronerbe dieses Königreichs, hat mir die Essenz meines Lebens zurückgebracht und wird auch in diesem Kampf an unserer Seite stehen. Wenn es noch Zweifel gibt, in was für Zeiten wir leben, so dürften sie wohl endgültig beseitigt sein, wenn ihr erfahrt, dass die Feuerblume jetzt in seinen Adern blüht. Ja, denkt euch — der König, mein Gemahl, ist tot, aber seine Essenz und die all seiner Vorgänger lebt im Blut eines Sterblichen fort.«
    Raunen kam von den versammelten Qar, und viele starrten Barrick an: Augen nahezu jeder erdenklichen Form und Größe und alle weit vor Staunen.
    »Sterbliche kämpfen auch im Fels unter uns an der Seite der Funderlinge«, fuhr Saqri fort, »und Tausende von ihnen haben auf der Burg über uns gekämpft und geblutet und so den Gott geschützt, der uns alle errettet hat, wenn sie auch nicht wussten, was sie taten und was es bedeutete. Doch alle Schulden werden jetzt durch diesen letzten Kampf beglichen«, erklärte Saqri. »Ob wir siegen oder unterliegen, leben oder sterben, wir werden nie wieder in Sterblichenlande einfallen.«
    Irgendwo hörte Fürstin Yasammez diese Worte, und was zurückkam — Zorn, Schmerz und das Gefühl von Ohnmacht und Entehrung — traf Barricks Denken mit solcher Wucht, dass

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