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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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obendrein mit unausgebildeten Truppen und vielen unerfahrenen Kommandeuren vollbringen. Könnten die Widrigkeiten größer sein?« Er wandte sich an Jaspis. »Also habt keine Bange, Freund Jaspis. Uns erwartet vielleicht ein Tod im Dunkel, aber es gibt weit schlechtere Arten und Weisen zu sterben — und weit schlechtere Gründe.«
    »Es wird mir eine Ehre sein, mit Euch im Dunkel den Spaten abzugeben, Hauptmann.« Jaspis klang, als wäre er bereit, augenblicklich loszustürmen und sich in einen xixischen Speer zu stürzen.
    »Trotzdem«, sagte Vansen, »ist es eine Ehre, auf die ich gern verzichten würde.«

    Pinnimon Vash dachte panisch, wie viel Stein jetzt über ihm lag, wie tief unter der freien Luft — und selbst unter dem Meer! — er sich jetzt befand. Es kostete ihn alle Mühe, nicht sofort aus seiner Sänfte zu springen und sich durch die Soldaten in den langgezogenen Biwaks zu zwängen, bis er sich wieder an die Oberfläche zurückgekämpft hätte. Was ihn auf seinem Sitz hielt, war nicht das Wissen um die unauslöschliche, tödliche Blamage, die das bedeutet hätte. Nicht einmal die Angst vor dem Gesichtsverlust überwog den Horror dieser Tonnen und Abertonnen von Stein, die auf seine Gedanken und Gefühle drückten. Es war vielmehr das Gesicht das Autarchen selbst, das ihn durch den Rauch des Zeremonialkohlebeckens anstarrte. Nur deshalb harrte Vash aus und lächelte mechanisch vor sich hin, während es sich anfühlte, als ob seine Haut sich jeden Moment von seinem Körper losreißen und ohne ihn davonrennen könnte.
    Ohne das Kohlebecken konnte Sulepis nirgendwohin, denn es repräsentierte das Feuer seines göttlichen Ahnherrn Nushash. Es stand für alles, was Vash guthieß: Tradition, Ordnung, Zeremoniell, Seriosität — und für alles, was sein junger Gebieter komplett vermissen ließ.
    »Was macht Ihr so ein säuerliches Gesicht, Oberster Minister?«, sagte Sulepis. »Hat Euer Scharfblick irgendeinen schwachen Punkt in unserer Angriffstaktik entdeckt?«
    Er hasste es, wenn der Autarch sich vor den Soldaten über ihn lustig machte, doch selbst die Polemarchen verkniffen es sich wohlweislich, zu viel Amüsement zu zeigen. Wie auch immer sie im Stillen über Vash denken mochten, sie wussten, dass er an Macht nur hinter dem Goldenen selbst zurückstand. Mehr Offiziere, als jetzt hier versammelt waren, hatten irgendwann den Zorn des Obersten Ministers auf sich gezogen und waren allesamt verschwunden, im glücklichsten Fall per unehrenhafter Entlassung.
    Vash zwang sich zu lächeln. »Säuerlich, o Goldener? Wie könnte irgendjemand inmitten eines so großartigen Unternehmens auch nur einen Anflug von Säuerlichkeit verspüren? Ich war nur gerade mit eigenen Sorgen beschäftigt.«
    »Ach ja? Wie selbstsüchtig von Euch, alter Mann. So viele Sorgen, und Ihr wollt keine einzige mit uns teilen?« Sulepis wandte sich an seinen Gefangenen. »Sagt, Olin, würdet Ihr nicht gern hören, was meinen braven Diener beschäftigt?«
    In Vashs Augen sah der Nordländerkönig noch blasser aus als gewöhnlich. Seine Stirn war feucht, als ob ihn ein Fieber anfiele. »Ich bitte um Verzeihung«, sagte Olin, »ich habe nicht zugehört.«
    »Macht nichts. Erzählt uns, was Euch besorgt, Minister Vash.«
    Vash holte tief Luft und hielt dann kurz den Atem an. »Ich habe mich um Euch gesorgt, o Goldener, das ist alles. Ich fürchte um Eure Sicherheit so tief unter der Erde, an einem so dunklen, gefährlichen Ort und im Angesicht solch unheimlicher Feinde.«
    »Aber Ihr habt mir doch gestern gesagt, ich würde über jeden Feind triumphieren — der Himmel habe meinen Sieg vorherbestimmt. Wie könnt Ihr dann heute an mir zweifeln? Zweifelt Ihr an mir, Minister?« Der Autarch lächelte, aber seine gelben Augen lohten wie die großen Feuer im Nushashtempel.
    Er ist über irgendetwas erzürnt,
ging Vash plötzlich auf.
Nicht über mich, aber ich war so dumm, mein Gesicht einen Ausdruck zeigen zu lassen.
»Verzeiht, o Goldener, ich versuche, niemals an Eurem Sieg zu zweifeln, aber Eure Feinde sind so tückisch, so niederträchtig ...!«
    Olin sah ihn fassungslos an. »Was? Mein armes Volk — niederträchtig? Genügt es Euch nicht, Unschuldige zu töten, ohne sie auch noch zu verleumden?«
    »Er meint es nicht so, Olin«, sagte der Autarch, und seine agilen Züge bildeten jetzt plötzlich einen Ausdruck reinsten Edelmuts. »Obwohl niemand, der es duldet, von diesem Tolly regiert zu werden, gänzlich unschuldig sein kann. Der alte

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