Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
hatte, hundert Fuß über dem Höhlenboden. So oft war er beinah in den Tod gestürzt, hier in dieser finsteren, uralten Hölle — es musste einen Grund haben, dass er noch lebte! Die Götter existierten und hatten sich seiner erbarmt. Eine andere Erklärung gab es nicht. Und wenn er seinen Auftrag erfüllte, würden sie ihn belohnen. Keine Bestien würden ihn in den dunklen Landen des Todes jagen. Keine Schlangen würden ihn verschlingen.
    Die Kreaturen dort unten verharrten schon eine ganze Weile auf der Stelle, in irgendein stummes Ritual versunken. Doch jetzt regten sie sich wieder und zogen weiter hinab in die Tiefe: Ihr Ziel musste dasselbe sein wie seins. Vo beschloss, ihnen zu folgen. Für jemanden, der schon so lange im Dunkeln wanderte, würden selbst ihr ferner Fackelschein und ihre leisen Schritte sicht- und hörbar genug sein. Er brauchte ihnen nicht so nahe zu kommen, dass sie ihn womöglich bemerkten.
    Wie um ihn daran zu erinnern, welche Strafe auf solches Ungeschick stünde, durchschoss ihn ein brennender Schmerz, so heftig, dass er sich krümmte und beinah von dem Gesteinssims fiel. Die Pein schien kein Ende zu nehmen.
    Das Mädchen mit der roten Strähne im Haar, das Mädchen, das ihn zu ermorden versucht hatte, wartete dort in der Tiefe. Und der Große Sulepis wartete ebenfalls dort. Ja selbst die Götter warteten dort auf Daikonas Vo. Er durfte sie nicht enttäuschen.
    Als der Schmerz verebbte und die letzten der unsterblichen Monstrositäten die Höhle verließen, machte er sich vorsichtig und leise an den Abstieg.

    Als sie schon so lange durch enge, dunkle Gänge gingen, dass Barrick in einen Wachtraum verfallen war, gab Saqri endlich das Zeichen, das Lager zu errichten. Eine ganze Weile folgten sie jetzt schon einem Felsband rund um die Öffnung eines riesigen, fast kreisrunden Schachts, der fast den Durchmesser des inneren Zwingers von Südmarksburg zu haben schien und weiter hinabreichte als jeder Fackelschein.
    »Dies ist die Wunde«, sagte Saqri, während sie zusah, wie ihre Haushälter das Lager errichteten. »Dies ist die Narbe von Krummlings letztem Kampf.«
    »Das hier? Dieses Loch?« Es deckte sich nicht mit den Feuerblumenerinnerungen, die durch seine Gedanken emporperlten wie Luftblasen. »Wir sind da ...?«
    »Nein.« Sie trat näher an den Rand des Felsbandes. »Wenn du einen Stein da hineinfallen ließest, würde es eine ganze Zeitlang dauern, bis er auf dem Grund aufschlüge. Doch ganz dort unten liegt jener tiefe Ort — die Letzte Stunde des Ahnherrn. Also beginnt hier der letzte Teil unserer Reise. Wenn wir bereit sind, werden wir uns an den Abstieg machen.«
    »Bis auf den Grund?« Barrick dachte an den Stein, der so lange durch Dunkel fallen würde, und konnte sich nicht vorstellen, so weit hinabzusteigen. »Es gibt doch auf der ganzen Welt keine Seile, die dafür lang genug sind!«
    Saqri gestattete sich ein winziges Lächeln. »Wir steigen ein Stückchen hinab bis zu den nächsten Gängen und nehmen dann diese. Später kehren wir wieder zur Wunde zurück. Es wird dauern, aber am Ende werden wir dort ankommen, wo sich unsere Feinde ... und unsere Verbündeten ... versammeln.« Sie machte eine Geste mit abwärts gekehrter Handfläche —
Wasser läuft in den Boden.
»Du hast jetzt ein bisschen Zeit, Menschenkind, also ruh dich aus. Ich werde dich rufen lassen, wenn wir bereit sind, den Weg fortzusetzen.«
    Er tat sein Bestes, Saqris Rat zu befolgen, aber seine eigene Nervosität und das ständige Gemurmel der Feuerblumenstimmen machten ihn zu unruhig. Er stand wieder auf, ging unter den Qar umher, sah ihnen bei der Arbeit zu und staunte über ihre vielen verschiedenen Arten und Formen, obwohl ihm die Feuerblumenstimmen versicherten, dass alles ganz normal und vertraut sei. Er sagte nichts, solange ihn nicht einer der Qar ansprach, weil er sich seiner Stellung unter diesen uralten, fremden Wesen immer noch unsicher war. Er glaubte, auf vielen der nichtmenschlichen Gesichter Ablehnung zu sehen und Neugier auf einigen anderen, und ihm kam der Gedanke, dass seine Anwesenheit für sie mindestens so verwirrend und seltsam sein musste wie für ihn selbst.
    Was bin ich? Ihr Prinz bin ich mit Sicherheit nicht, aber ich bin auch kein gewöhnlicher Untertan. Ich habe das Blut und die Erinnerungen ihrer sämtlichen Könige in mir, aber ich weiß weniger über sie als über die Bauern im fernen Xis.
    Schließlich ging er an den Rand des Felssimses, stand eine ganze Weile schweigend da

Weitere Kostenlose Bücher