Das Herz
angreifen können, hat der Autarch zu viele Soldaten. Außerdem geht es jetzt sowieso nicht um Kampferfolge. Die
Zeit
ist das Entscheidende, und sie sind schon weit unter uns, am Eingang zu den Tiefen.«
Feuerblumengedanken und -erinnerungen wirbelten in Barricks Kopf, aber die stumme Präsenz, die Ynnir gewesen war, führte ihn zu denjenigen, die wichtig waren — jede davon so präzise und klar wie ein Lautenton. Er begann zu verstehen. »Aber Krummling ... ist tot.« Er erzitterte ein wenig unter dem Sturm, den diese Erkenntnis in ihm auslöste — all den Bedeutungen, Erinnerungen, uralten Hoffnungen und Leiden. Es war schwer, es auch nur auszusprechen. Der Gott, dessen Blut in seinen und Saqris Adern floss, war tot. Der Gott, der Yasammez gezeugt und dessen eigene Vatergeneration den Götterkrieg begonnen hatte ... Barrick ignorierte einen kalten Wind der Verärgerung, der von Yasammez und den anderen kam. »Er hat die alten Götter hinausgestoßen und dann den Weg hinter ihnen versiegelt. Aber der Autarch will sie wieder befreien!«
Saqri nickte. »Und wie die meisten Sterblichen hat er keine Ahnung, wie schrecklich viele dieser ... Wesen sind, wie lange sie schon hinter den Wänden des Alptraums warten ...«
»Und wie grimmig und gierig sie auf ihre Chance lauern.« Yasammez stand auf, die schwarze Rüstung schattengleich, sodass es für einen Moment schien, als ginge ihr Gesicht im Dunkeln auf wie der Mond. »Welche Sünden die Sterblichen auch immer begangen haben, der Erde selbst, die schuldlos ist, wünsche ich solche Greuel nicht. Es ist Zeit. Wir können nicht länger warten. Was ist dein Wunsch, Enkeltochter?«
Saqri zögerte, als hätte Fürstin Stachelschwein sie mit ihrer abrupten Frage überrumpelt. »Wir müssen einen besseren Weg finden.« Sie wandte sich an die Ettins. »Schaufelschwinger, Ihr und die anderen wart hier an der Arbeit, während wir übrigen gegen die Südländer kämpften. Was habt Ihr gefunden?«
Hammerfuß' Sohn sprach mit einer Stimme, so grollend wie eine träge Lawine. »Gänge, die uns zur nackten Wunde von Krummlings letzter und größter Anstrengung hinabführen werden und von da in die äußersten Tiefen, Herrin. Teile des Wegs gilt es noch zu räumen, und wir werden kämpfen müssen, wenn wir die Abstiegsroute des Autarchen kreuzen, doch wenn wir schnell zuschlagen und unermüdlich arbeiten, können wir dennoch vor den Menschen die Letzte Stunde des Ahnherrn erreichen.«
»Dann soll es so geschehen.« Saqri atmete tief aus, das Seufzerähnlichste, was Barrick je von ihr gehört hatte. »Morgen ist der letzte Tag — vielleicht der letzte überhaupt. Auf dass niemand von uns sagen muss, er oder sie hätte mehr geben können!«
Daikonas Vo betrachtete müde-fasziniert die Parade von Monstrositäten. Er war so lange im Dunkeln umhergestolpert, dass ihn das Gleißen ihrer Fackeln schmerzhaft blendete. Was wollten sie? Waren das wirklich
Pariki,
wie die Xixier sie nannten — Elbenwesen in seiner Muttersprache? Was machten sie hier unter der Burg? Er hatte geglaubt, der Autarch hätte sie alle vertrieben ...
Vo versuchte die Verwirrung abzuschütteln. Spielte es eine Rolle? Er wanderte jetzt schon so lange durch die Finsternis, dass er kaum noch wusste, wer er war. Nur der heiße Schmerz, der von seinem Gedärm ausging und sich wie Gift in seinem ganzen Körper ausbreitete, erinnerte ihn noch daran, was ihm widerfahren war, warum er noch atmete und einen Fuß vor den anderen setzte, wenn doch alles in ihm wollte, dass er sich hinlegte und die süße Erlösung des Todes annahm.
Falls der Tod eine Erlösung wäre, hieß das. Denn in den dunklen, verlorenen Stunden hatte Vo wieder die Stimme seiner Mutter gehört, die ihm wispernd die Geschichten von den Göttern erzählte, ihn vor den Schlangen und anderen finsteren Dämonen warnte, die ihn, wenn er gestorben wäre, jagen und vom Busen Großvater Nushashs, des Sonnenfeuers, fernhalten würden.
Und waren nicht diese grotesken Wesen, die da unter ihm durch die Höhlen zogen, der Beweis dafür, dass solche Dinge sogar schon im Leben existieren konnten und existierten? Wesen mit Fledermausflügeln und Hyänenköpfen, manche mit rauhen Schuppen wie gemeine Wüstenschlangen ... und ihre Augen! Glitzernde, glühende Augen, Augen, die brannten wie Kohlen. Bestimmt konnten sie ihn selbst hier in seinem steinernen Versteck sehen, hoch droben an der Höhlenwand, da, wo der schmale Pfad, dem er gefolgt war, plötzlich geendet
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