Das Herz
Yasammez nicht mit uns gegen die Xixier gezogen? Sie lebt doch für den Krieg!«
Saqris Gedanken hatten etwas Unglückliches und zugleich Zorniges, doch was sie davon äußerte, war sachlich. »Ich nehme an, sie wollte sehen, was ich mit dem Oberbefehl und dem Siegel anfange. Und vielleicht hatte sie auch eigene Probleme, um die sie sich kümmern musste.«
»Was denn?« Ein Wirbel von Feuerblumenerinnerungen plagte ihn, aber allmählich lernte er, das zu tun, was Ynnir ihm beigebracht hatte: einfach zu
sein
und sie um sich herumschwimmen zu lassen wie Fische.
»Meinungsverschiedenheiten unter ihren engsten Ratgebern, nehme ich an. Du weißt ja von dem Konflikt zwischen Yasammez und meinem Gemahl. Was du vielleicht nicht weißt oder nicht aus dem hast herausfiltern können, was dir die Feuerblume sagt — die Positionen sind nicht so simpel, dass sie sich einfach nur in zwei Lager aufteilen ließen.«
»Erklärt es mir.« Doch was er sagte, war eher:
»Bringt mich zu Euren Gedanken.«
Inzwischen benutzte er in seinem Kopf fast so oft Qar-Formulierungen wie die seiner Muttersprache.
»Die große Yasammez hat von Anfang an gemahnt, dass wir die Sterblichen hinwegfegen sollten, ehe es zu spät sei. Aber ihr hohes Alter und ihre lange Erfahrung haben sie verändert, und ihr Hass auf deinesgleichen ist nicht mehr so tödlich, wie er einst war. Es gibt jedoch noch viele andere Angehörige unseres Volkes, die Wilderen unter uns wie Trickster und Elementargeister, die deinesgleichen nur zu gern für immer von der Erde getilgt sähen ...«
»Aber warum hat Yasammez mich dann zu König Ynnir geschickt?«, fragte Barrick. »Heißt das nicht, dass sie ihre Meinung über meinesgleichen irgendwie geändert hat? Oder dass sie dachte, mich am Leben zu lassen, würde ... den Qar helfen?«
Saqri übermittelte ihm einen inhaltsleeren, diffusen Gedanken, wieder eine Art Achselzucken. »Ich weiß es nicht. Ich habe versucht, ihre Gedanken dazu zu fühlen, aber sie hält sie vor mir verborgen.« Und jetzt ließ sie ihn etwas von dem Schmerz wahrnehmen, den ihr das verursachte. »So vieles hat sich geändert. Einst war Yasammez mehr für mich als meine eigene Mutter ...«
Sie führte den Gedanken nicht zu Ende, und Barrick drängte sie nicht. Da waren so viel Verletztheit und Verwirrung, so viele Dinge, die er nicht verstand, so intime, nackte Gefühle in einem derart gefassten und beherrschten Wesen, dass er nicht weiter vordringen wollte.
»Also sehen wir jetzt unseren letzten Stunden entgegen, Barrick«, sagte Saqri schließlich, »und alles, was einmal gewiss war, ist jetzt ungewiss. Außer der Niederlage. Das ist wie immer das Ende jeder unserer Geschichten.«
Die dunkle Fürstin stieß an einem Ort zu ihnen, den die Funderlinge das Alte Barytlager nannten. Im Fackelschein ihrer Vorhut blitzten die Quarzadern wie Wetterleuchten. Barrick fragte sich, ob diese ganzen Lichtspiele für ihn bestimmt waren, da die meisten Qar in dunklen Gängen ebenso gut sehen konnten wie die kleinwüchsigen Leute, die sich hier unten normalerweise bewegten.
Als Yasammez von der rohen Felstreppe auf den Höhlenboden hinabtrat, hob Saqri grüßend die Hände. »Wir sind wieder zusammen.«
»Ja. Wir sind wieder zusammen.« Yasammez wandte ihr ernstes Gesicht Barrick zu. »Jetzt musstest du gegen deinesgleichen kämpfen. Willst du immer noch an unserer Seite stehen?«
»Meinesgleichen?« Es dauerte einen Moment, bis er verstand, dass sie die Xixier meinte, die Soldaten des Autarchen. »Die haben nichts mit mir zu tun. Invasoren. Eindringlinge. Wenn ich sie alle mit einem Schwertstreich töten könnte, würde ich es tun.«
Yasammez betrachtete ihn eine ganze Weile schweigend — taxierend. »Die Zeit ist knapp«, war alles, was sie sagte.
Der Kriegsrat war überraschend kurz. Barrick hatte sich daran gewöhnt, dass die Qar Tage brauchten, um etwas zu beschließen oder zu tun, aber die Übergabe des Kriegssiegels an Saqri schien eine große Veränderung mit sich gebracht zu haben: Yasammez äußerte so gut wie keine Ratschläge oder Einwände, sie überließ es Saqri, die Entscheidungen zu treffen und die Befehle zu erteilen.
»Wir müssen versuchen, vor den Südländern die Letzte Stunde des Ahnherrn in der tiefsten Tiefe zu erreichen«, sagte Saqri, nachdem sie all ihre Unterführer angehört hatte. »Aber sie sind zu viele, um sie durch unsere geballte Kraft aufzuhalten. Selbst wenn Vansen und seine Drags noch leben und wir sie von zwei Seiten
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