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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sich daran zu halten, obwohl sich beim Anblick dieser grinsenden Fratze ihre Hand so fest um den Schwertgriff schloss, dass es wehtat.
    Briony war noch nie in der sechseckigen inneren Gruftkammer mit den engen Sargnischen und dunklen Ecken gewesen — einem Gelass, das jetzt, selbst wenn man von den alten Särgen absah, brechend voll wirkte. Außer ihr und den beiden Syanesen standen da noch Hendon, einer seiner Wachsoldaten und eine dunkelhaarige Frau, offenbar eine Geisel. Bei genauerem Hinsehen erkannte Briony die Gronefelder Edelfrau Elan M'Cory, die Gailon Tollys Tod so tief getroffen hatte. Tollys zweiter Lakai, der Mann mit dem Dolch, lag bäuchlings in einer kleinen Blutlache. Aber Hendons Schwert über der Kehle des kleinen Prinzen übertrumpfte jeden zahlenmäßigen Vorteil, den Briony besitzen mochte.
    Und das war Hendon offensichtlich klar. »Zurück, Briony, oder ich töte das Kind. Ihr bekommt mich nicht, ohne Klein-Alessandros zu verlieren. Ich nehme Euren Bruder gern mit, wenn ich gehe«, sagte er lachend.
    »Ist denn gar kein Anstand in Euch?«
    Er schüttelte den Kopf »Diese Konversation ist sinnlos. Ihr würdet mich nie verstehen, und wenn Ihr so lange lebtet wie die Zwielichtler. Geht langsam rückwärts aus der Gruft. Lasst mich die Tür verriegeln, wie ich es von Anfang an hätte tun sollen, dann könnt Ihr tun, was Euch beliebt.« Wieder lachte er auf »Meinetwegen holt Euch einen Rammbock!«
    »Nein. Nie und nimmer. Ich lasse das Kind nicht hier bei Euch.«
    »Ich dachte mir schon, dass Ihr stur bleibt. Typisch für euch selbstgefällige Eddons!« Hendon nickte langsam und sah zu ihren Soldaten hinüber. »Wie ich sehe, habt Ihr die Syanesen mitgebracht.« Tolly hob spöttisch eine Augenbraue. »Was natürlich heißt, Ihr habt Euch an Jung-Eneas verkauft.« Er quittierte ihren Gesichtsausdruck mit erstaunt aufgerissenen Augen. »Ach nein? Wirklich nicht? Nun, dann vielleicht an den alten Mann selbst. Ist es das? Hat Olins Tochter sich dem tattrigen König von Syan hingegeben, um ihr Volk zu retten? Wie edelmütig!«
    Sie musste ihre gesamte Kraft aufbieten, um Hendons Provokationen zu ignorieren. Außerdem verursachte ihr das Geschrei des kleinen Alessandros allmählich Kopfschmerzen. »Stephanas«, sagte sie schließlich, »schickt Euren Mann zu Prinz Eneas, er soll ihm sagen, wir halten Hendon Tolly in meiner Familiengruft fest.«
    »Nein!«, rief Hendon Tolly warnend. »Wenn er auch nur einen einzigen Schritt in Richtung Vorkammer macht, steche ich diesem Kind ein Auge aus. Dann taugt der kleine Prinz immer noch für meine Zwecke, aber er wird umso lauter schreien.«
    »Hund! Ist das Euer Begriff von Ehre? Ein Kind zu bedrohen?«
    Hendon Tolly lachte, ein so schallendes Lachen, dass es nur echt sein konnte. »Ehre? Was für ein kindischer Unsinn! Glaubt Ihr wirklich, solche Dinge kümmern mich?«
    »Götter! Ihr seid Abschaum, Tolly. Und selbst wenn Ihr mich zwingt, stundenlang hierzubleiben — irgendwann wird Eneas mich suchen. Hier kommt Ihr nicht hinaus.«
    Das schien Hendon zu amüsieren. »Ach, wirklich? Tja, schade.«
    Briony wollte seine Selbstsicherheit erschüttern, ihn irgendwie von dem Kind weglocken. »Ja, Euer Kopf liegt praktisch schon auf dem Richtblock — und danach wird sich der Scharfrichter Eure verräterische Familie vornehmen. Ich werde den Palast von Gronefeld eigenhändig einreißen und Euren Bruder und Eure Mutter ans Tageslicht zerren wie das kriechende Ungeziefer, das sie sind ...«
    Tolly nickte. »Wenn Ihr das tut, werdet Ihr unsere Mutter wohl noch dort finden, aber was meinen Bruder Caradon betrifft — das ist eine komische Geschichte.« Er lachte. »Anscheinend ist er in letzter Zeit ein bisschen kopflos ...«
    »Beim Trigon, Hoheit!«, rief Stephanas aus. »Vergeudet keine Worte mehr auf diesen Feigling. Wir sind in der Überzahl!«
    »Nein, Stephanas ...«, setzte Briony an.
    »Sie hat recht, junger Mann«, sagte Tolly grinsend. »Ihr mögt zwar überlegen
scheinen,
aber ihr seid nur zwei Männer und eine Frau — noch dazu zwei Syanesen. Noch nie waren ein paar verweichlichte Butterfresser in der Lage, einen Markenländer zu schlagen ...!«
    »Maulheld!« Zu Brionys Entsetzen sprang Stephanas auf Tolly zu und hieb mit dem Schwert nach dessen Klinge, um sie von dem hilflosen Kind wegzuschlagen, doch Tolly tat nur einen Schritt zur Seite, und seine schmale Klinge schnellte empor. Stephanas stolperte, richtete sich wieder auf und machte noch zwei stockende

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