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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Stimme. »Es waren keine guten Schützen, wie du siehst.« Er entblößte die Zähne zu einem grässlichen Grinsen. »Stunden, Tage lag ich verwundet in der dunklen Erde, zwischen den Leichen meiner Gefährten, zu schwach, um mich zu rühren ... und dennoch unfähig zu sterben. Ich war ein Fremder im Reich der Toten, und der Tod wollte mich nicht. Als mir bewusst wurde, dass ich noch lebte, grub ich mich aus dem heraus, was du mir als Grab zugedacht hattest, Hendon, und kam dann hierher zurück, um Briony von deinem Verrat zu erzählen.« Er richtete die beinahe blicklosen Augen auf Briony. »Aber ich sehe, dass Ihr zu spät erkannt habt, was mein Bruder ist — die fauligste Frucht aus meines Vaters Lenden. Jetzt kann ich nur noch eines tun, um meinen Fehler wiedergutzumachen — seinem Leben ein Ende setzen.«
    Er machte ein paar stolpernde Schritte auf Hendon zu, der wie gelähmt schien. Da krabbelte plötzlich Elan M'Corys schlanke, dunkle Gestalt herbei und umschlang Gailon Tollys Beine.
    »Nein!«, flehte sie unter Tränen. »Verlass mich nicht wieder, Gailon! Nicht noch einmal!«
    »Lass los, teure Elan«, sagte der Zerlumpte, immer noch mit der unheimlichen Stimme eines ruhelosen Geists, aber er entzog sich ihr nicht sofort, ja schien sogar erstmals so etwas wie eine menschliche Regung zu zeigen. »Ich kann nicht ... ich bin nicht mehr von eurer Welt ...«
    »Und dabei soll es auch bleiben!«, rief Hendon Tolly, und mit einem Ausfallschritt stieß er dem Bruder sein Schwert in die Magengrube. Gailon stöhnte auf und fiel dann mitsamt dem Mädchen um, wobei Hendon das Schwert aus der Hand gerissen wurde.
    Briony sah ihre Chance und schnellte auf Hendon Tolly zu, doch der drehte sich um, sah den Angriff kommen und schaffte es, den Stoß mit der bloßen Hand abzulenken, sodass ihre Klinge zwar seine Handfläche aufschnitt, ansonsten jedoch wirkungslos an ihm vorbeifuhr. Sie stolperte und kam aus dem Gleichgewicht; Hendon gab ihr einen Stoß, der sie noch ein paar hilflose Schritte weitertaumeln und gegen die Kante des Durchgangs prallen ließ. Als sie sich wieder gefangen und mit erhobenem Schwert umgedreht hatte, war Hendon Tolly verschwunden.
    Sie stand im Durchgang zur äußeren Gruftkammer, und an ihr war Hendon nicht vorbeigekommen. Es gab nur eine Möglichkeit, wohin er so schnell verschwunden sein konnte — in eine weitere Kammer.
    Sie sah zu Elan M'Cory hinüber, die weinend das Schwert aus Gailons Leib zu ziehen versuchte.
    »Verlasst jetzt diese Gruft«, wies sie Elan an und begann dann, die bemoosten Wände zu untersuchen. Als sie mit dem Schwert in einer der schattendunklen Ecken stocherte, stieß die Klinge dort, wo unnachgiebiger Stein hätte sein müssen, auf keinerlei Widerstand. Sie beugte sich etwas näher heran und fand eine Öffnung, wo die beiden Wände nicht ganz aneinanderstießen, einen Spalt, der breit genug war, dass ein schlanker Mann — oder eine schlanke Frau — durchschlüpfen konnte.
    Sie erwog zu warten, bis Eneas da war, aber wann würde das sein? Falls dieser Geheimgang an irgendeinen anderen Ort der Burg führte — falls es gar einer jener Gänge war, die Cherts Funderlinge angelegt hatten —, konnte Tolly in Kürze für immer auf und davon sein. Das Ungeheuer, der Mörder, würde entkommen ...
    Sie stieß ihr Schwert in den Spalt und stocherte wild im dahinter befindlichen Dunkel herum, bis sie sicher war, dass dort niemand lauerte. Sie wischte ihren Dolch ab und steckte ihn wieder in ihren Gürtel, ging dann zurück und nahm sich eine Fackel aus einer Wandhalterung.
    Hinter der alten Gruft lagen noch weitere Grüfte oder jedenfalls unterirdische Kammern; sie fand mindestens ein halbes Dutzend. Soweit Briony wusste, waren sie noch nie für irgendetwas benutzt worden. Anders als in der glattverputzten Familiengruft waren hier die Wände roh behauen, die Böden uneben. Aber das Beunruhigendste war, dass jede dieser Kammern zu einer weiteren, tiefer gelegenen führte.
    Unter uns, hinter uns, überall um uns herum ...
Briony hatte immer geglaubt, sie lebte auf solidem Grund — von wegen! Den längst tot geglaubten Gailon vor sich zu sehen, hatte sie zutiefst erschüttert. Und diese geheimen Gänge unterhalb der Familiengruft machten es nur noch schlimmer. Nichts schien mehr wirklich verlässlich und real.
    Nachdem sie die weiteren Kammern kurz, aber sorgfältig untersucht hatte, trat sie aus der letzten hinaus und stand an einem Weg. Im Fackelschein sah sie, dass auf der

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