Das Herz
JA, DIES IST EIN ECHTER KÖRPER, GEMACHT AUS DEM STAUB UND LEHM DIESER WELT. ICH KANN DINGE FÜHLEN - UND DAS HABE ICH GEFÜHLT, DU KLEINER STERBLICHER MÄUSEKÖTTEL!« Zosim hob den Fuß, um Barrick zu zertreten. Barrick konnte nur hilflos zu dem dunklen Etwas hinaufstarren, das über ihm hing wie ein Boot im Trockendock. »DOCH BALD SCHON WIRD DER REST MEINER ESSENZ DIE LEERE DURCHQUERT UND DIESEN KÖRPER ERFÜLLT HABEN«, grollte der Gott und schwankte ein wenig, weil er immer noch auf einem Bein stand. »WENN DAS GESCHEHEN IST, KÖNNTE MIR NICHT EINMAL WEISSFEUER, DER SONNENHERR SELBST, ETWAS ANHABEN ...«
»Ich bin nicht der Sonnengott«, rief plötzlich eine neue Stimme, laut wie Trompetenschall. »Aber ich trage sein Schwert. Komm her und koste seine Klinge!«
Als Zosim sich verblüfft umdrehte, rollte sich Barrick unter der mächtigen Ferse des Gottes hervor und so weit weg, wie er irgend konnte. Yasammez stand am Rand des Meers der Tiefe, ihr Gesicht das einzig klar Umrissene in der dunklen Wolke von Rüstung und Mantel, das Schwert in ihrer Hand ein Strahl von weißem Licht.
»DU WIRST STERBEN, ALTES WEIB.« Es klang freudig, als hätte der Gott endlich etwas auf dieser Sterblichenwelt entdeckt, das ihn interessierte. »SELBST MIT ONKEL WEISSFEUERS SAUSTECHER KANNST DU MICH NICHT MAL KRATZEN!«
»Mag sein«, sagte Yasammez. »Aber vielleicht ist dieser Körper ja doch verletzlicher, als du irgendjemandem eingestehen möchtest, erdgebundener kleiner Gott.«
Lachend warf Zosim das hübsche Haupt zurück, und die Flammen loderten noch höher, sodass die Höhlenwände bis weit hinauf von gelbem Licht erhellt wurden. »EINE NETTE IDEE, DIESE SCHWÄCHE, ALTES WEIB — ABER NICHT WAHR. KOMM HER! ZEIG, AUS WELCHEM HOLZ DU GESCHNITZT BIST!« Er streckte die Hand aus, und ein mächtiges goldenes Schwert erschien darin.
Yasammez watete in das unterirdische Meer. Die dicke, glänzende Flüssigkeit wich vor ihr zurück, als ob plötzlich Ebbe einsetzte, doch selbst als Yasammez schon fast in der Mitte des Meers der Tiefe war, versank sie nicht in den Wellen; vielmehr schien sie zu wachsen, und als sie das Inselufer erreichte, war sie schon fast halb so groß wie Zosim. Wo sie ging, fuhr ein schneidend kalter Luftzug durch die sengend heiße Kaverne, sodass Barrick, der versucht hatte, sich aufzurappeln, zitternd auf Hände und Knie zurücksank.
Als Yasammez den Trickstergott erreichte, war sie so groß wie er, doch während er so massiv wie Stein wirkte, war die Zwielichtlerfürstin weniger substantiell, so als ob sie sich weit über das eigentlich mögliche Maß gestreckt hätte. Von ihrer wahren Gestalt konnte Barrick fast nichts mehr erkennen — sie schien so diffus wie Rauch. Nur das mächtige weiße Schwert war noch so hart und strahlend wie zuvor. Es leuchtete durch die Essenz der dunklen Fürstin wie ein Vollmondsplitter.
Barrick kam genau in dem Moment auf die Beine, als die beiden gewaltigen Klingen das erste Mal aufeinandertrafen: Es klang wie eine riesige Glocke, die die ganze Kaverne erbeben ließ. Irgendwo auf der Insel hörte er den Autarchen seine furchtsamen Männer anschreien, sie sollten den Gott wieder attackieren. Barrick bezweifelte, dass sich viele Freiwillige finden würden. Über ihm hieben die göttlichen Schwerter immer wieder aufeinander ein, bis er von dem Klingen halb taub war. Er humpelte auf die beiden Kämpfenden zu. Sie wirkten jetzt wie eine phantastische Illusion, ein brodelndes Wolkengebilde über einem aufgewühlten Meer, die Klingen wie zuckende Blitze. Zosims helle Flammen lohten noch höher, doch wie zur Antwort wurde Yasammez dunkler und dichter.
Barrick tauchte durch den Wolkennebel, bis er vor sich Zosims mächtige Ferse sah. Er hinkte hin und stieß zu, so fest er konnte, trieb sein Schwert bis ans Heft in das seltsam flüssige Fleisch, doch obwohl er ein unwirsches Knurren hörte, schien das Schwert vor seinen Augen zu schmelzen, bis der Griff schließlich zu Boden fiel wie die Blüte einer geköpften Blume. Der riesige Fuß bewegte sich jäh und katapultierte Barrick ein Stück weg.
»Lauf, Menschenkind!«
Aus dem Dunkelschleier über ihm erschien Yasammez' Gesicht, verzerrt von einer Anstrengung, als trüge sie das Gewicht der ganzen Welt und könnte es nicht absetzen.
»Hier kannst du nichts tun. Nicht einmal ich vermag mehr zu tun, als ihm ein paar Augenblicke zu stehlen.«
Etwas krachte auf sie ein, und sie taumelte zurück, verschwand für einen Moment in den
Weitere Kostenlose Bücher