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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Junge, dann nehmt mal die Beine in die Hand, sobald die Pulverspur brennt. Das wird verdammt knapp ...«
    Antimon geleitete ihn zu der rohen Treppe, die nach Funderlingsstadt hinaufführte. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er zu dem alten Mönch. »Jetzt macht schnell.« Als Nitrit die Steinstufen hinaufhumpelte, drehte sich Antimon zu Giebelgaup um. »Und Ihr auch, Freund — es ist Zeit ...«
    Polternde Schritte ließen den Funderling und den fingerlangen Dachling herumfahren: Auf ebenjener Treppe erschien Bruder Nickel, der Möchtegern-Abt, mit zornrotem Gesicht. »Bei den Alten der Erde, Antimon, was soll dieser Wahnsinn? Diesmal seid Ihr zu weit gegangen — dafür lasse ich Euch aus der Bruderschaft ausschließen!«
    Antimon starrte ihn an. »Was macht Ihr hier, Bruder? Ihr und die anderen habt doch Order erhalten, den Tempel zu räumen ...«
    »Order?«, kreischte Nickel. »Habt Ihr den Verstand verloren? Ich habe diese Order gesehen — eine Order von
Euch,
einem einfachen Tempelbruder. Was soll das alles? Wer gibt Euch das Recht ...«
    »Sind die anderen wenigstens weg?«, unterbrach ihn Antimon. »Ist der Tempel geräumt? Ihr Riesenross habt sie doch wohl nicht zurückgehalten, oder?«
    Nickel stand nur fassungslos da und klappte stumm den Mund auf und zu. Schließlich fand er die Sprache wieder. »Ich lasse Euch nicht nur aus dem Orden ausschließen, Antimon, ich schleppe Euch auch noch vors Zunftgericht!«
    Verblüffend schnell für seine Statur — er war der größte Funderling, den Giebelgaup je gesehen hatte — stürzte sich Antimon auf Nickel, packte ihn an der Kutte und verpasste ihm ein Paar Ohrfeigen. »Antwortet, Idiot! Ist der Tempel geräumt?«
    »Ja, verflucht!« Nickel weinte jetzt fast vor Wut. »Ihr und dieser wichtigtuerische Chert Blauquarz habt meine Autorität so gründlich untergraben, dass niemand bleiben wollte, als die Order kam! Ich habe ihnen gesagt, sie sollen nicht gehen, aber selbst Cherts Bruder, Knoll, dieser Feigling, ist nach Funderlingsstadt geflüchtet.«
    »Preis sei den Alten der Erde!« Antimon stieß ihn von sich. Nickel stolperte ein paar Schritte rückwärts und fiel auf den steinernen Höhlenboden. »Ihr hättet sie alle zum Tod verurteilt, wenn es nach Euch gegangen wäre, Narr! Jetzt verschwindet, oder Ihr werdet mit Eurem Tempel untergehen.« Antimon packte Nickel am Schlafittchen und hob den zappelnden Mönch ein Stück vom Boden hoch. »Versteht Ihr denn nicht? Ich entzünde jetzt die Pulverspur. Wir haben eine Menge Sprengpulver angebracht, wenn Ihr also bei der Detonation noch hier oder auch nur in der Nähe seid, werdet Ihr spurlos ausgetilgt — Euer Fleisch, Eure Knochen, selbst Euer Name. Dann seid Ihr noch eine dünne Ascheschicht in einem Haufen herabgebrochenen Gesteins, weiter nichts. Wollt Ihr das? Dann bleibt hier und lamentiert weiter.«
    Antimon kehrte Nickel den Rücken und ging zur Treppe. Nickel starrte ihm einen Moment wütend und erschrocken hinterher, rannte dann aber ebenfalls los. Giebelgaup gab der Flattermaus die Fersen und flog hinterher. Vom Treppenschacht bogen sie in eine andere, kleinere Höhle ab. In deren Mitte streckte ein Stern aus Sprengpulver seine Strahlen in alle Richtungen: Die Pulverspuren verschwanden in diversen Spalten und Seitengängen.
    Antimon ging nah am Zentrum des Sterns in die Hocke und zog Feuerstein und Stahl heraus. »Geht weiter, Nickel, wenn Ihr keinen angesengten Hintern wollt«, sagte er. »Und Ihr macht Euch jetzt besser auch davon, guter Giebelgaup.«
    Diesmal brauchte Bruder Nickel keine zweite Aufforderung. Der Mönch hastete weiter treppauf, gelangte aber nur wenige Stufen weit, ehe er ausrutschte und die ganze Treppe hinabstürzte.
    »Mein Bein!«, jammerte er. »Es ist gebrochen! Au, beim Schwarzen Abgrund, tut das weh!«
    »Beim Blut der Alten!«, fluchte Antimon. »Ich kann nichts für Euch tun, Nickel. Ich muss hierbleiben und aufpassen, dass die Lauffeuer nicht ausgehen.«
    »Nein, helft selbgem da«, sagte Giebelgaup. Nickel sah jetzt aus wie ein verängstigtes Kind. »Tragt ihn in Sicherheit. Wenn Ihr mir ein kleines Feuerchen macht, wart ich, bis Ihr weg seid, und zünd dann die Pulverspur an.«
    Antimon schüttelte den Kopf. »Jemand muss hierbleiben, bis sicher ist, dass die Sprengladungen gezündet werden. Sonst ist alles verloren. Das ist meine Aufgabe.«
    Jetzt verstand Giebelgaup den seltsamen Gesichtsausdruck des Mönchs: Antimon war nicht davon ausgegangen, dass er rechtzeitig

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