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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schwaden ihrer gewaltigen Essenz. Dann erschien ihr Gesicht wieder wie die Sonne, die sich durch dichte Wolken kämpft.
»Geh! Rette die, die du noch retten kannst. Mehr habe ich dir nicht zu geben ...«
    Erneut getroffen, erschauerte sie und fiel rückwärts; ihre ganze gewaltige dunkle Masse kippte wie ein umstürzender Turm. Im Fallen stach sie noch mit der weißen Klinge zu, doch die monströse lodernde Gestalt war zu schnell, zu stark. Zosim stürzte sich auf sie und riss sie wieder empor, jedenfalls war es das, was Barrick zu sehen glaubte — es war alles so verschwommen, so bizarr, wie ein Kampf auf dem schlickigen Grund eines tiefen Sees. Die goldene Klinge des Gottes fuhr auf die dunkle Erscheinung ein wie eine mächtige Flammenzunge, und Barrick hörte Yasammez' schrecklichen Schmerzensschrei, so durchdringend, dass er die Höhlenwände zu erschüttern schien.
    Jemand zog an seinem Arm. Langsam wie im Traum drehte Barrick sich um und sah hinter sich Ferras Vansen stehen, blutig und dreckig.
    »Ihr könnt ihr nicht helfen — sie hat es doch selbst gesagt!«, schrie Vansen gegen das Getöse des Kampfs zwischen Gott und Halbgöttin an. »Helft mir, die anderen in Sicherheit zu bringen.«
    »Es gibt keine Sicherheit«, sagte Barrick. Dann schwang eine riesige, flammende Hand von oben herab und schmetterte ihn durch die Luft.
    Alles vorbei ... endlich ...,
war alles, was er noch denken konnte, ehe das Schwarz in ihm explodierte.

    Der Arbeitstrupp plazierte eilig die letzten Sprengpulverschlegel am Fuß einer mächtigen Steinwand, die sich die gesamte Braukellerhöhle entlangzog — die »kalte Wand« nannten sie die Mönche. Die Höhle, die Giebelgaup der Bogenschütz noch nie gesehen hatte — und offenkundig auch nie wiedersehen würde — stank nach Schwefel und anderen, ihm unbekannteren Dingen und lag vielleicht hundert Fuß unter dem Tempel selbst. Da sie kühler war als die meisten anderen Höhlen, ließen die Mönche hier ihr Moosbräu in Wurzelholzfassern reifen, doch das kostbare Bier war schon vor Tagen abtransportiert worden. Soweit Giebelgaup erkennen konnte, sollten die Sprengpulverschlegel — keilförmige Eisendinger, so groß wie der Schuh eines großen Menschen — alle gleichzeitig explodieren und die gesamte Seitenwand der Höhle zum Einsturz bringen. Welche Auswirkung auf eine Schlacht viele Ebenen tiefer sich die Funderlinge davon versprachen, war Giebelgaup ein Rätsel.
    Nach so langer Zeit im Sattel konnte Giebelgaup nicht gut sitzen, deshalb ging er auf der erhöhten Steinplatte auf und ab, die Antimon als Schreibtisch diente, und wartete, während der Mönch Botschaften an die Arbeiter in den anderen, kleineren Höhlen schrieb, wo ähnliche Maßnahmen getroffen wurden. Jedes seiner hastig hingekritzelten Schreiben versiegelte er mit Ton und dem Abdruck des Astion.
    Das viele Sprengpulver um ihn herum machte Giebelgaup höchst nervös. Seit der Krieg Südmark erreicht hatte, wusste er, was das Zeug anrichten konnte. Das Dach des Wolfszahnturms, für die Dachlinge von jeher ein heiliger Ort, war von einer der Südländerkanonen zerfetzt worden, und Stücke sämtlicher Haupttürme, darunter der gesamte obere Teil des Winterturms, lagen im inneren Zwinger verstreut wie kaputtes Kinderspielzeug. Ja, das schwarze Pulver machte ihm Angst — aber das Schlimmste war die Warterei.
    »Zinnober hat auf Eile gedrängt«, rief Giebelgaup Antimon zu; Schweiß stand dem Mönch auf der Stirn und tropfte auf die kleinen Tontäfelchen, in die er seine Botschaften ritzte. »Hat gesagt, selbger, es sei schon beinah zu spät ...«
    »Beim Heißen Herrn, seid bitte still, kleiner Mann!« Antimon wischte sich das Gesicht. »Ich weiß, dass es schnell gehen muss, ich weiß, dass Zinnober und die übrigen sagen, wir sollen uns beeilen — ich weiß, ich weiß, ich weiß! Aber wenn wir einen Fehler gemacht haben ...«
    Giebelgaup wusste nicht genau, was passieren würde, wenn die Funderlingsingenieure sich bei ihrer Planung vertan hatten, aber dass es nichts Gutes wäre, schien sicher. »Bitt um Verzeihung, Bruder. Meine Familie hat immer schon gesagt, ich red zu gern ...« Auf Antimons verzweifelten Blick hin verstummte er.
    »Das war's«, sagte Antimon bald darauf, drückte den Astion in den feuchten Ton und reichte den Stapel Botschaften dem wartenden Kurier. »Die anderen bring zu den anderen Baustellen, Junge, aber diesen hier gib Bruder Nitrit — er wird noch mal nachrechnen, und wenn alles stimmt,

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