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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Er hievte Olin mühsam über die Bootswand, sodass er neben dem schwarzhaarigen Mädchen auf dem Bootsboden landete. Das große Boot saß in den losen Ufersteinen fest; Vansen war klar, dass er es niemals allein ins Wasser ziehen könnte, selbst wenn er nicht zerschunden und halb tot wäre. Wo war Barrick?
    Endlich, während die mächtige goldene Klinge wieder auf die dunkle Wolke einhieb, die Yasammez war, entdeckte Vansen zwischen den Steinen das schimmernde Blau der Qar-Rüstung. Barrick regte sich nicht. Mit letzter Kraft humpelte Vansen zu ihm.
    Zu Vansens immenser Erleichterung hob und senkte sich Barricks Brustkorb stetig, obwohl seine Rüstung versengt war und sein Gesicht so knallrot, als hätte man ihn durch ein Mittsommerfeuer geschleift.
    Mittsommer-Mitternacht,
dachte Vansen. Wer
hätte gedacht, dass die Welt an einem solchen Tag an einem solchen Ort enden würde ... auf solche Weise?
Yasammez war so gut wie geschlagen, nicht mal mehr halb so groß wie Zosim, und ihre mächtige Erscheinung schrumpfte immer weiter in dem Maß, wie der Gott in ihr überwältigt wurde. Bald würde nur noch ihr sterblicher Anteil übrig sein, und mit dem würde Zosim der Trickster kurzen Prozess machen.
    »Prinz Barrick! Hört Ihr mich?« Vansen schüttelte ihn, aber der Prinz kam nicht zu sich. Er zog ihn in Richtung Boot. Barricks Fersen furchten den steinigen Boden. Auf halber Strecke musste Vansen ihn loslassen; nach Luft ringend, starrte er auf die Feuersäule in der Höhlenmitte, die immer mehr von dem verbrannte, was die größte Qar aller Zeiten gewesen war.
    Als er endlich das Boot erreichte, packte ihn etwas am Waffenrock und riss ihn so jäh um, dass er Barrick fahrenließ. Als er am Boden lag, senkte sich eine krumme xixische Klinge auf seine Kehle, so scharf, dass sie schon in seine Haut schnitt, wenn sie nur darauf ruhte.
    »Das da sind
meine
Gefangenen, denke ich doch«, sagte der Autarch von Xis und entblößte seine sämtlichen Zähne. Der Druck auf Vansens Kehle verstärkte sich, bis er Blut seinen Hals hinabrinnen fühlte. »Du gibst sie mir
jetzt
zurück, Bauer.«

    »Bitte, Hoheit!« Chert zog wieder an Brionys Ärmel. Er konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass wohl schon Leute für weniger geköpft worden waren. »Bitte, Prinzessin, das nützt doch niemandem etwas ...!«
    Briony ging nicht einmal langsamer. »Chert Blauquarz, ich bin sicher, dass Ihr unter Euresgleichen als mächtiger Krieger geltet, aber ich bin die Prinzessin von Südmark, und ich bin doppelt so groß wie Ihr. Wenn Ihr mich noch ein Mal am Ärmel zieht, werfe ich Euch von diesem Weg!«
    Chert zog die Hand weg. Er wusste genauer als sie, welch langer Weg in die Tiefe das wäre. »Aber Ihr werdet umkommen!«
    »Nein, alle, die ich kenne, werden umkommen, wenn ich nichts tun!«
    Mit ihrem entschlossenen Schritt und ihrer Männerrüstung sah Briony aus wie eine Figur auf den alten Wandteppichen — Königin Lily vielleicht, die ihre Truppen gegen den Mantis und seine Söldnerscharen führte. Was doch aus dem netten Mädchen geworden war, das ihn damals in den Hügeln über den Haufen geritten hatte ...! Chert konnte nicht umhin, sie zu bewundern, weshalb es ihm noch mehr widerstrebte, sie ihr Leben wegwerfen zu sehen.
    Und meins werfe ich auch weg, wenn ich ihr noch weiter folge.
    »Hoheit, bitte! Seid doch vernünftig! Ich habe Euch doch gesagt, was passieren wird ...!«
    »Aber noch ist es nicht passiert. Und vielleicht wird es auch nie passieren — vielleicht habt Ihr Euch ja verrechnet, oder Euer Schießmehl ist nass geworden.« Sie eilte weiter den Weg am Abgrund entlang, fiel, wo er breit genug war, in den Laufschritt, ging an den schmalen, tückischen Stellen langsamer. »Dann brauchen meine Familie und meine Freunde erst recht meine Hilfe. Nein, Chert Blauquarz, Ihr haltet mich nicht auf.«
    »Stur wie ein Grubenesel ...!«, brummelte er, aber wenn sich jemand mit sturen Frauen auskannte, dann Chert. Sie hörten nicht einfach auf, stur zu sein, nur weil ein Mann es ihnen sagte.
    Ich kann mit ihr gehen, oder ich kann umkehren und vielleicht weiterleben — falls irgendwer das hier überlebt — und mich selbst hassen, weil ich sie im Stich gelassen habe.
O
Alte der Erde, warum habt ihr mich verflucht? Warum kann ich nie Herr meines eigenen Lebens sein ...?
    Wie zur Antwort hörte Chert rasch nahende Schritte. Er erstarrte. Auch Briony blieb stehen und spähte ins Dunkel vor ihnen, aber dann war deutlich zu hören, dass das

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