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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der königlichen Garde bleibt, werdet Ihr für meinen Schutz die Mittel des Königreichs überstrapazieren. Ich meine hier drei Fünfzigschaften Soldaten zu sehen!«
    Er fühlte, wie er rot wurde, und fluchte im Stillen. »Eure Hoheit sind das Herz Südmarks. Wir sind zu froh, dass Ihr so vieles überstanden habt, als dass wir jetzt riskieren könnten, Euch zu verlieren.«
    »Er hat recht, Prinzessin«, sagte Eneas mit seinem weichen Mittelländerakzent.
    Vansen gab sich große Mühe, den Mann nicht zu hassen. Nach allem, was er gehört hatte, war der syanesische Prinz nicht nur ein anständiger Mensch und hervorragender Soldat, sondern hatte sich auch Briony gegenüber als Ehrenmann und guter Freund erwiesen; wenn Vansen ihn nicht so gefürchtet hätte, wäre es ihm ein Anliegen gewesen, ihn näher kennenzulernen. Aber Eneas hatte jedes Recht, Briony zu heiraten, und er, Ferras Vansen, hatte keins, ganz egal, was sie für ihn empfand. Auch jetzt, da sein Herz ihr noch unverbrüchlicher gehörte, war er sich sicher, dass sie das Schickliche — ja letztlich das einzig Vernünftige — tun und den Prinzen von Syan heiraten würde.
    Und dann muss ich diesen Ort verlassen, den ich liebe, und die einzige Frau, die ich begehre.
Er tat sein Bestes, das Selbstmitleid wegzuschieben.
Aber was will man machen? Ich bin ein einfacher Soldat, sie ist meine Königin — einer wie ich hat in solchen Höhen nichts verloren. Wenigstens habe ich die Sonne und den Wind wieder ...
    Wie lange war er in fahlem Zwielicht oder unter schrecklichen Massen von Stein gefangen gewesen? Er hatte so viele Monate ohne freien Himmel und helle Sonne auskommen müssen, dass er ganz vergessen hatte, wie gut das tat — einfach nur Sonnenwärme auf der Haut und dazu der faszinierende Geruch der Seeluft, der für den Jungen aus den fernen Bergen immer noch etwas Magisches war, das, was die Geschichten seines Vaters durchweht hatte.
    Er muss es vermisst haben, das Meer,
dachte Vansen,
als er von zu Hause fortgegangen war.
Ein Gedanke war da jetzt in seinem Kopf, und er musste vorsichtig graben, um ihn ganz freizulegen.
Und vor allem muss er meine Mutter sehr geliebt haben, um darauf zu verzichten.
    »Schiff in Sicht!«, rief jemand von der Mauer herab. Vansen drehte sich um und sah ein überdachtes Boot über die Dünung heranschaukeln; die Ruder zu beiden Seiten bewegten sich wie die Beine eines Wasserkäfers. Vergoldet und bemalt, prangte das Boot in der ganzen Pracht der xixischen Farben. Ein riesiger geschnitzter Falke mit ausgebreiteten Schwingen saß auf dem Bug, als ob er das ganze Gefährt aus dem Wasser heben und damit davonfliegen wollte.
    Nicht mehr ganz das passende Symbol,
dachte Vansen mit einer gewissen Genugtuung.
Sie glaubten, stark genug zu sein, um sich hier greifen zu können, was sie wollten. Aber sie haben den Willen der Markenländer unterschätzt ... und vor allem die Tapferkeit der Funderlinge. Und jetzt kommen sie demütig angekrochen.
    Als das Boot an der Mole aus den verbliebenen Steinen des Dammwegs festgemacht hatte, entstieg ihm ein kleiner Trupp xixischer Soldaten in Leopardenfellumhängen und reihte sich beidseits des Dammwegs auf. Ihnen folgte mit langsamen Bewegungen eine Gestalt in einem aufwändigen Zeremonialgewand. Während dieser hagere alte Mann, auf den Arm eines jungen Dieners gestützt, den Dammweg entlangkam, begannen die restlichen Soldaten eine große, geschlossene Sänfte aus dem Boot zu hieven.
    Der alte Mann erreichte die Stirnseite des Pavillons, wo Briony saß und Eneas beschützend neben ihr stand. Der Prinz von Syan wirkte schon so sehr wie der stattliche königliche Gemahl, dass es Vansen ganz recht gewesen wäre, wenn ihn ein Pfeil durchbohrt hätte. Der Xixier machte eine komplizierte Verbeugung, die nicht wirklich ins Unterwürfige ging. Dann stieß der jugendliche Diener eine schrille Ankündigung aus, die er, wie man aus den stolpernden Worten schließen konnte, auswendig hatte lernen müssen: »Seine Hochgeehrte Pis ... Hochgeehrte Person, der Weise Älteste, der Oberste Mist ... Minister Pinnimon Vash.«
    »In unserer Gegenwart seid Ihr sicher, Minister Vash«, erklärte Briony dem alten Mann. »Und ebenso alle, die mit Euch kommen.«
    Der Oberste Minister presste die Handflächen aneinander und verbeugte sich wieder. »Hoheit sind zu gütig. Ehe wir mit unserem offiziellen Gespräch beginnen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Euch mein tiefempfundenes Beileid zum Tod Eures Vaters

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