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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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auszusprechen. Ich habe ihn in den letzten Monaten gut kennengelernt — ich würde fast sagen, wir waren Freunde ...«
    »Freunde?« Brionys Stimme hatte ihren ruhigen, festen Klang verloren. »Euer Herr hat meinen Vater umgebracht, Minister Vash. Ist es da nicht unangemessen, Beileid zu heucheln?«
    »Es ist nicht geheuchelt, Hoheit«, sagte er mit der Gewandtheit des altgedienten Höflings. »Und just über meinen verstorbenen ... Herrn wollten wir mit Euch reden.«
    »Wir?«
    »Mein jetziger Monarch und ich. Aber ich muss Euch um Nachsicht bitten. Autarch Prusus hat gewisse Gebrechen, die es ihm schwermachen, deutlich zu sprechen. Wir hoffen, dass Ihr die Güte habt, mich ihm assistieren zu lassen.«
    »Woher wissen wir, dass Ihr nicht einfach sagt, was
Ihr
wollt — dass nicht Ihr jetzt der wahre Herrscher von Xis seid?«, fragte Eneas.
    »Oh, mein Herr spricht Eure Sprache«, versicherte ihm der alte Mann. »Er ist ein gelehrter Mann. Aber es ist schwer für ihn.« Vash drehte sich um und klatschte in die Hände. Die Sänfte wurde herbeigetragen und vor dem Pavillon abgesetzt. Als die Diener die Vorhänge zurückschlugen, hatte selbst Briony Mühe, ihre Verblüffung zu verbergen.
    Der neue Autarch war ein Idiot, jedenfalls sah er so aus: Sein Kopf wackelte haltlos hin und her, und auf seinem Kinn glänzte Sabber. Selbst seine Arme und Beine schienen nicht willens, einer solchen Kreatur Gefolgschaft zu leisten, und kämpften, wie es aussah, unbeholfen darum, sich von seinem Rumpf zu lösen.
    »Verzeiht, aber was soll das?«, fragte Prinz Eneas ungehalten. »Ist das ein Scherz oder ein Trick, Xixier?«
    »Bitte, Hoheit«, sagte Briony. »Seid nicht voreilig. Autarch Prusus, versteht Ihr mich?«
    Der Mann in der Sänfte nickte, eine komplizierte Angelegenheit aus Wackeln und Rucken.
    »Und Ihr sprecht tatsächlich unsere Sprache?«
    Der Autarch stammelte eine lange Serie von Lauten. Vansen hörte ein Wort heraus, das er verstand. »...
Würde.«
    »Er sagt, ja, er spricht sie, und er entschuldigt sich«, erläuterte Vash. »Der Goldene sagt, die Götter haben ihm mehr Verstand gegeben als äußere Würde.«
    Briony lächelte kühl. »Dann fiele er allerdings an den meisten Höfen aus dem Rahmen, weil es gewöhnlich genau umgekehrt ist — aber kommt doch in unser Zelt, dann reden wir. Ich verzeihe Xis nichts, aber ich will keine weitere Gewalt, wenn es sich vermeiden lässt.«
    »Bitte, Prinzessin Briony«, sagte der alte Vash, »es war Euer Vater selbst, der Prusus und mich zusammengebracht hat — er allein hat unter die äußere Erscheinung des Scotarchen geblickt und auch mir die Augen geöffnet. Nur deshalb konnte ich mir schließlich ein paar gleichgesinnte Männer suchen, die mir den Scotarchen tragen halfen, und wir konnten entfliehen. Nur deshalb sind wir nicht in den Höhlen unter Eurer Burg umgekommen. Die Klugheit Eures Vaters hat uns gerettet.«
    »Glaubt nicht, mir schmeicheln zu können, indem Ihr mir erzählt, was mein Vater getan hat, während er um sein Leben kämpfte — das Leben, das ihm Euer Herr schließlich genommen hat.« Vansen sah, dass Briony um Beherrschung rang. Er wollte nichts mehr, als ihr die Hand auf die Schulter zu legen, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein war — aber das ging natürlich nicht. »Nach allem, was man mir über Euer Volk gesagt hat, lohnt es sich kaum, mit Euch zu verhandeln. Sobald Ihr wieder in Xis seid, wird dieser Mann« — sie zeigte auf den neuen Autarchen, der gerade mit Hilfe eines Dieners etwas verdünnten Wein trank — »durch ein weiteres Mitglied Eurer wahnsinnigen Königsfamilie ersetzt werden. Warum also sollte ich euch nicht einfach alle zu Fuß durch Eion ziehen lassen und den Rest dem Schicksal anheimstellen?« Ihr Lächeln war jetzt noch kälter. »Ich glaube nicht, dass es besonders angenehm für Euch wäre, Eure Überlebenden durch Syan und Hierosol zu führen.«
    Vash nickte, aber man sah ihm trotz aller Bemühungen an, dass er aufgebracht war. »Ja, und noch mehr Unschuldige müssten sterben. Ich spreche nicht von unseren Soldaten hier, Hoheit. Wir haben Euch überfallen ... oder vielmehr, der vorige Autarch hat uns gezwungen, Euch zu überfallen. Und normalerweise hättet Ihr recht — Prusus würde nur kurze Zeit herrschen, bis ein Nachfolger bestimmt wäre. Aber er und ich, wir haben einen besseren Plan. Ein altes Gesetz unseres Volkes besagt, dass der Scotarch so lange regiert, bis ein Nachfolger bestimmt ist. Wenn der Autarch

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