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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Sie wandte sich an Anissa. »Aber den Jungen wirst du nicht behalten.« Sie streckte der Dienerin die Arme entgegen und nahm den kleinen Olin Alessandros, während Vansen die verzweifelte Anissa festhielt. »Er ist der Sohn meines Vaters.«
    »Tötet mich nicht!«
    »Sie muss trotz allem eine Gerichtsverhandlung bekommen, Hoheit«, sagte Nynor. »Ihr Vater ist ein langjähriger enger Verbündeter.«
    »Ein enger Verbündeter, der Agenten des Autarchen an seinem Hof beherbergt hat. Der zuließ, dass ebendiese Agenten eine Hexe hierher schickten, um meinen Bruder zu ermorden!« In diesem Moment wollte sie nichts dringender, als sich Anissa ein für alle Mal vom Hals zu schaffen, aber sie brachte es nicht über sich. »Ja, du wirst eine Gerichtsverhandlung bekommen, Anissa. Und dann wirst du so lange weggesperrt, dass sich niemand mehr an dich erinnert. Du wirst vergessen sterben.«
    Das Kind, verängstigt durch das laute Jammern seiner Mutter, weinte jetzt ebenfalls. Während Vansen neue Wachen für den Sommerturm einteilte, um die bisherigen abzulösen, bis er sich über deren Loyalitäten im Klaren wäre, drückte Briony den Kleinen eng an sich.
    Als sie schließlich an der Tür war und in die kalte Nachtluft hinaustrat, wankte Briony. Die Last dessen, was sie auf sich genommen hatte, schien plötzlich zu groß — ihr war, als würde sie nie auch nur die Kraft aufbringen, in ihre Gemächer zu gelangen. Doch Ferras Vansen nahm ihren Arm und stützte sie, und Seite an Seite gingen sie zum Palast zurück.

51

Eine wichtige Gemeinsamkeit
    »So sehr auch Erde und Himmel ihren Verlust betrauerten, war doch Zoria die Taube, die gütigste unter allen Göttern und Göttinnen, bereit, ihren Onkel zu heiraten, wenn er den Waisenknaben gehen ließe.«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Zu Ehren des königlichen Besuchs erstrahlte die Edelsteinstraße von Juwelen, damit die berühmte Decke von Funderlingsstadt und die Fassaden der öffentlichen Gebäude in ihrer ganzen Pracht sichtbar wären.
    »Es ist wirklich erstaunlich«, sagte Briony, den Blick nach oben gerichtet, während Vansen ihr Pferd die schmale Hauptstraße entlangführte. »So schön! Ich wusste, dass es das hier gibt, habe es aber kaum wahrgenommen — mein Vater hat mich nämlich ein paarmal hierher mitgenommen.«
    »Versucht auch nach unten zu schauen, Hoheit«, sagte Nynor. »Eure Untertanen sehnen sich ebenfalls nach Eurer Aufmerksamkeit.«
    »Scheltet mich nicht, Graf Steffans. Ich weiß, dass sie warten. Deshalb bin ich ja hier.« Aber sie achtete doch darauf, zu lächeln und zu winken, als sie die Kreuzung Edelstein- und Erzstraße passierten, wo die Menge schon seit geraumer Zeit dicht gedrängt stand. »Da, ich sehe die Zunfthalle«, sagte Briony. »Ist sie nicht höchst beeindruckend, Hauptmann Vansen?«
    Er brummte nur, weil er im Moment ganz damit beschäftigt war, Briony eine Gasse zur breiten Eingangstreppe des Gebäudes zu bahnen. In Südmarksburg herrschte zwar im Ganzen gesehen Frieden, aber in den Randbereichen von Funderlingsstadt, wo sonst kaum jemand hinkam, trieben sich immer noch ein paar der hartgesottensten Tolly-Anhänger herum, und es gab Gerüchte, dass sich in den entlegeneren Gängen auch noch versprengte xixische Soldaten und sogar der eine oder andere
Askorab
versteckten. Nach einer dermaßen seltsamen, wirren Zeit war kaum abzuschätzen, wann wieder alles ganz normal sein würde.
    Etliche Funderlinge riefen Vansens Namen, was ihn überraschte. Als er hinsah, erkannte er Männer, die im Labyrinth mit ihm zusammen gekämpft hatten, und salutierte, aber es machte ihn verlegen. Dass sie ihn als einen der Ihren betrachteten, rührte ihn, aber er stand nun mal nicht gern im Mittelpunkt, und das würde sich auch nie ändern.
    Und was brocke ich mir dann ein, wenn ich Konnetabel werde? Ich werde nie imstande sein, den echten Adligen ins Gesicht zu sehen ...
Aber viele dieser »echten« Adligen, rief er sich in Erinnerung, hatten es geschafft, gar nicht für Südmark zu kämpfen. Und dieselben Adligen hatten großenteils deutlich gemacht, dass sie niemals einen Fuß nach Funderlingsstadt setzen würden, auch nicht heute, um zu hören, was die Prinzessin dort zu sagen hatte.
Was beweist, dass der Stand allein den Mann nicht ausmacht,
dachte er in einer Anwandlung von Selbstbewusstsein, die er ausnahmsweise einmal einfing und festhielt.
Schaut mich an! Die Prinzessin sagt, sie liebt mich

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