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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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dem Ende. Vansen wartete, während seine Geliebte Steffans Nynor zuhörte, der in einer Zunfthalle voller Funderlinge und sonstiger vertraulich mit ihr zu reden versuchte.
    »Aber, Hoheit«, flüsterte er erregt, »das ist ohne Beispiel.«
    »Könige sind ihr eigenes Beispiel«, sagte Dawet dan-Faar lachend. »Briony beginnt ihre Herrschaft wie eine echte Königin. Das ist löblich.«
    Nynor sah ihn finster an. »Ihr seid auch ohne Beispiel, Dan-Faar. Mir scheint, als wir Euch das letzte Mal sahen, überbrachtet Ihr Auslöseforderungen für unseren König.«
    »Das stimmt«, sagte Dawet. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.«
    Vansen trat dazwischen, nicht weil er dachte, Nynor könnte gewalttätig werden, aber er wollte nicht, dass der alte Mann weiter gereizt wurde, und Dawet hatte etwas von einer Katze. »Bitte, Hoheit«, sagte Dawet zur Prinzessin, »Ihr solltet jetzt in den Palast zurückkehren.«
    Briony bedachte ihn mit einem ungnädigen Blick. »Warum glaubt offenbar jeder, auf mich aufpassen zu müssen wie auf ein Kind?«
    »Weil wir alle wie liebende Eltern nichts Kostbareres haben und kein Risiko eingehen wollen.« Dawet war hochzufrieden mit sich. Vansen fragte sich, wann dieser glattzüngige, gefährliche Bursche wohl weiterziehen würde, um in einem anderen Königreich Unruhe zu stiften. Ihm konnte es gar nicht bald genug sein.
    Vansen wurde dadurch aus seinen Gedanken gerissen, dass plötzlich Aesi'uah neben ihm stand. Sie war wie aus dem Nichts aufgetaucht, begleitet von den übrigen kapuzenverhüllten Gestalten; alle anderen auf dem Podium der Zunfthalle schienen ihnen äußerst bereitwillig Platz zu machen. »Prinzessin Briony«, sagte die Eremitin, »verzeiht die Störung. Ich überbringe eine Botschaft von Eurem Bruder.«
    »Ach?« Brionys Ton war kühl. »Es ist doch wohl nicht so weit von Eurem Lager hierher, dass er nicht selbst hätte kommen können.«
    »Wünscht Ihr die Botschaft zu hören?«
    Die Prinzessin machte eine kurze auffordernde Handbewegung. »Warum nicht?«
    »Er möchte Euch wissen lassen, dass wir morgen aufbrechen. Die Überlebenden des Volkes werden nach Qul-na-Qar zurückkehren. Aber er sagte, er würde Euch gern noch ein letztes Mal sprechen, wenn Ihr kommen könnt, um Euch von ihm zu verabschieden.«
    »Wohin?« Briony sah wütend aus, aber da war noch etwas anderes in ihrem Gesicht, das Vansen nicht deuten konnte.
    »Dorthin, wo Ihr Euch das letzte Mal verabschiedet habt, als er fortging.« Sie legte die Hände vor der Brust zusammen. »An der Küstenstraße, bei Sonnenuntergang. Wenn Ihr nicht so weit hinauskommen könnt, sagt er, werde er es verstehen ...«
    »Ich werde dort sein.« Briony wandte sich ab, als existierte die Qar-Frau nicht mehr. »Kommt, Hauptmann Vansen, trommelt Eure Männer zusammen. Nynor, Ihr könnt den Leuten aus der Burg sagen, dass wir uns jetzt auf den Rückweg machen.« Sie lächelte, aber es war nur ein minimales Spannen ihrer Lippen. »Wir haben allen reichlich Gesprächsstoff geliefert, was?«
    Nynor schüttelte den Kopf und sagte seufzend: »O ja, Hoheit, das habt Ihr allerdings. Ihr seid wahrhaftig die Tochter Eures Vaters.«

    Am Morgen war Regen durchgezogen, doch als Schwester Utta vom Zorienheiligtum zum Palast zurückging, war der Himmel schon wieder fast wolkenlos blau. Mit Hilfe einiger königlicher Garden, die ihr der gutaussehende, aber wortkarge Hauptmann ausgeliehen hatte, war es ihr gelungen, das Gröbste wiederherzurichten, wenn auch die Mosaiken durch den Kanonenbeschuss losgerüttelt worden waren und die Steinchen sich auf dem Fußboden verteilt hatten. Sie zu sortieren und wieder zusammenzusetzen, würde Monate sorgfältiger Arbeit erfordern. Trotzdem war es ein gutes Gefühl, etwas Nützliches zu tun, noch dazu etwas Nützliches für Zorias Heiligtum. Nach den Geschehnissen der letzten Monate fühlte sich Utta ihrer Schutzpatronin enger verbunden denn je.
    Ja, dachte sie auf dem Weg zu Merolannas Gemächern, warum eigentlich nur das alte Heiligtum wieder aufbauen, das immer schon zu klein gewesen war? Warum nicht ein neues bauen, das den Burgbewohnern mehr Platz böte? Ein größeres Heiligtum brächte mehr Zehntabgaben, was es ihr ermöglichen würde, wenigstens einigen der Leute zu helfen, die durch den langen Krieg obdachlos oder arm geworden waren.
    Weil sie so mit dieser neuen Idee beschäftigt war, bemerkte Utta den Jungen nicht gleich, der auf der Bank in Merolannas Vorgemach saß wie ein Schüler, der des

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