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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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geflüchtet. »Prinz Dawet...?«
    »Ja,
der
Dawet.« Sein Gesicht war eine harte, stolze Maske, und doch sah sie darin etwas, das ihr wie Schmerz erschien. »Der, von dem Ihr sagen hörtet, er sei ein Mörder, Mädchenschänder, Dieb und Verräter. Und ich muss zugeben, dass nicht all diese Bezeichnungen gänzlich ungerechtfertigt sind. Doch entgegen der schlimmsten Geschichte über mich habe ich nie einer Frau Gewalt angetan. Das schwöre ich vor der Großen Mutter bei meiner Seele. Ich tue Euch nichts, Lady dan-Mozan. Und ich werde auch niemandem in Eurem Haus auch nur ein Haar krümmen, wenn Ihr mir befehlen solltet, unverzüglich zu gehen. Ihr habt mich sehr höflich empfangen. Werdet Ihr mich anhören?«
    Sie blickte auf ihren Enkel, dann auf den Wächter, der in der wieder hervorgekommenen Nachmittagssonne sanft vor sich hin schnarchte.
    »Was wollt Ihr von mir, Prinz Dawet?«
    Er schüttelte den Kopf. »Lassen wir die Förmlichkeiten, zumindest jene, die nicht mehr gültig sind. Dieser Titel wurde mir aberkannt, und ich will ihn auch gar nicht zurückhaben. Alles, was ich von Euch möchte, sind Auskünfte. Erzählt mir, was mit Eurem Haus geschah. Ich hörte, das Feuer sei von Männern des Barons Iomer gelegt worden. Warum sollte Iomer so etwas tun?«
    Jetzt wünschte Idite, sie hätte ihrem ersten Impuls nachgegeben und wäre aus dem Garten geflohen. Wie sollte sie diesem berüchtigten Verbrecher auch nur irgendein Stückchen der Wahrheit erzählen, ohne preiszugeben, was sie nicht preisgeben durfte? Und wenn sie ihm Lügen auftischte, was würde er dann mit ihr machen? Mit ihrer Familie? Sein Versprechen, niemandem etwas zu tun, war, wenn die Gerüchte über Dawet auch nur zur Hälfte stimmten, so viel wert wie ein Sack voll Wind. »Ich ... ich weiß nicht, warum das Feuer ausgebrochen ist. Die Soldaten des Barons waren in unserem Haus, das stimmt, und viele Leute denken, dass sie es gelegt haben, aber es hätte auch unabsichtlich ...«
    »Bitte vergeudet meine Zeit nicht mit Unsinn.« Sein Ton war bestimmt, aber nicht drohend. »Sonst wird es noch richtig kalt, und ich werde mich schuldig fühlen, wenn Ihr Euch erkältet. Es heißt, dass er nach König Olins Tochter Briony suchte, die sich in Eurem Haus aufhielt. Das habe ich von Briony selbst, Lady dan-Mozan, also versucht gar nicht erst, es zu leugnen.«
    »Ihr ... habt sie gesehen?« Seit das Mädchen in jener Nacht verschwunden war, hatte Idite befürchtet, Briony sei tot oder in einem Verlies der Südmarksburg, obwohl ... in jüngster Zeit waren ihr Gerüchte zu Ohren gekommen, die Prinzessin sei irgendwie nach Tessis gelangt. »Ist das wahr? Dann lebt sie also?«
    Er musterte sie, als wäre er sich nicht ganz sicher, ob ihre Anteilnahme echt war. »Ja«, sagte er schließlich, »sie lebt. Wenn sie auch nicht groß über die Brandnacht reden will.« Er hielt einen Moment inne und blickte auf die Birnbaumblüten, die wie kleine Sterne aussahen. »Außer Eurem Gemahl sind in jener Nacht noch viele andere umgekommen, Lady dan-Mozan. Über einen davon möchte ich sprechen. Shaso dan-Heza.«
    Idite blieb fast das Herz stehen. »Sh ... Shaso?«
    »Ja, Lady dan-Mozan. Der Mann, dessen Tochter ich angeblich entführt und geschändet habe. Der Mann, der mich so sehr hasste, dass er schwor, mir das Herz herauszuschneiden und es auf das Grab seiner Tochter zu legen. Erzählt mir von Shaso.«
    »Was ... was meint Ihr?«
    »Tut nicht so, als wäre er in jener Nacht nicht im Haus Eures Gemahls gewesen. Ich will Euch nicht drohen, aber ich möchte auch nicht zum Narren gehalten werden. Ich weiß, dass er da war — vergesst nicht, ich habe mit der Prinzessin gesprochen.«
    »Ja, natürlich.« Idite fragte sich, ob er wirklich gehen würde, wenn sie ihn darum bäte. Was konnte dieses berüchtigte Ungeheuer nur von ihr wollen? Wer konnte ihn hergeschickt haben? »Er war hier, das stimmt, der edle Shaso war hier. Es war ein Geheimnis. Er kam im Feuer um. Nur ich, die anderen Frauen und einige wenige Diener haben überlebt.«
    »Aber genau das glaube ich nicht, Lady dan-Mozan«, sagte Dawet. Er stand auf. Er war größer als sie gedacht hatte. Sein Schatten fiel auf den kleinen Moseffir, der verwirrt aufblickte, den dreckigen Stock zwischen den Zähnen. »Ich glaube, Shaso dan-Heza lebt. Und Ihr werdet mir sagen, wie ich ihn finden kann.«

    Es war so ziemlich das Schrecklichste, was Pinnimon Vash je gesehen hatte, ein schmutzig schwarzes Horrorwesen, so lang wie ein

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