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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Bollwerk gegen Tyrannei? Wo ist er denn jetzt?«
    Olins Gesicht verfinsterte sich. »Ich weiß es nicht. Und wenn ich es wüsste, würde ich es Euch gewiss nicht sagen.«
    »Gewiss. Nun aber Schluss mit diesen kontroversen Themen.« Vash schüttelte seine langen Ärmel zurück und deutete auf die Rampe, die von einem der Frachtschiffe auf den größten Verladekai des Hafens hinabgelassen worden war. »Schaut, da, das ist es, was Euch der Autarch zeigen wollte.«
    Viele xixische Seeleute und Soldaten waren ebenfalls herbeigekommen, um zu verfolgen, wie sich eine Gruppe ungeschlachter Kreaturen die Rampe hinab bewegte. Jede hatte zwei Arme und zwei Beine, aber da hörte die Menschenähnlichkeit auch schon auf: Die stämmigen Beine und kurzen Arme waren mit knochenartigen Panzerplatten bedeckt, zwischen denen, ebenso wie auf dem Rücken der Kreaturen, steife Borsten wuchsen. Die Hände sahen eher aus wie Maulwurfsschaufeln, disproportional groß, mit ledriger, warziger Haut. Was jedoch ins Auge stach, waren Rumpf und Kopf. Ein seltsamer Bauchpanzer gab den Kreaturen etwas von aufrechtgehenden Käfern oder Schildkröten; er zog sich über Hals, Kinn und untere Gesichtspartie empor und traf sich mit dem Fortsatz des Rückenpanzers, der sich über den Kopf in die Stirn wölbte, sodass vom Gesicht nur die Augen zu sehen waren, die aus dem Dunkel zwischen den unverbundenen beinernen Panzerschalen starrten, wodurch die Wesen aussahen wie riesige Austern oder gepanzerte Männer mit absurd hohen Helmen. Trotz ihrer martialischen Rüstung wirkten diese bizarren Wesen jedoch krank — sie bewegten sich stockend und stolpernd. Eines fiel hin und kam nicht wieder hoch, lag träge strampelnd im grellen Sonnenlicht.
    »Das ...«, sagte Olin blinzelnd, »... sind Monster. Habt Ihr ihnen das angetan?«
    »Vash hat gar nichts getan?«, sagte hinter ihnen eine Stimme, die von oben zu kommen schien, als spräche ein Gott. Was ja in gewisser Weise auch stimmte, denn es war der Autarch, der jetzt auf seiner von Sklaven getragenen Zeremonialsänfte näher kam, als wäre er selbst eine Art riesiges, vielfüßiges Monster. »Diese prächtigen Geschöpfe wurden vielmehr in den Zeiten meines Urgroßvaters Aylan gezüchtet.«
    »Dann liegt der Wahnsinn bei Euch in der Familie«, stieß Olin angewidert hervor.
    »Eine kleine Gemeinsamkeit zwischen uns beiden, was?«, sagte Sulepis grinsend. »Diese Kreaturen stammen von den Yisti ab, die vom selben Blut sind wie eure nordländischen Funderlinge. Wenn auch diese speziellen Vertreter, die Khau-Yisti, kräftiger und roher waren, wilde Wühler, ihre Yisti-Vettern hingegen fast so zivilisiert wie Menschen.« Er sprach wie jemand, der einem dummen Schüler eine interessante Lektion zu vermitteln versucht. »Die Züchter meines Urgroßvaters fingen die wilden Stämme ein, wählten die größten und stärksten Exemplare aus und formten die Nachkommenschaft für die Arbeit in den Minen der Xan-Horem-Berge, wo das Gestein häufig einbricht. Diese vervollkommneten Khau-Yisti sind jedoch extrem kräftig und robust und können sich nach einem Stolleneinbruch aus eigener Kraft nach draußen graben — äußerst wirtschaftliche Arbeitskräfte.« Stirnrunzelnd beobachtete er, wie die Kreaturen die Landungsbrücke hinabwankten. »Das Reisen scheint ihnen nicht zu bekommen, oder vielleicht ist es auch eure eisige Luft hier im Norden. Viele sind schon unterwegs gestorben, und diese sehen auch nicht aus, als würden sie noch lange durchhalten ...«
    »Die Hälfte ist leider schon tot, o Goldener«, sagte Vash.
    »Euer Volk züchtet diese armen Kreaturen wie Hunde? Nur für die Bergwerksarbeit?« Olin schien verwundert, als hätte er immer noch nichts über die königliche Familie von Xis gelernt. Wäre Vash nicht der Anblick der sich über den Strand schleppenden Khau-Yisti ein wenig auf den Magen geschlagen, hätte ihn die Naivität des Nordländerkönigs geradezu amüsiert.
    »O nein, nicht nur dafür«, erklärte der Autarch fröhlich. »Wie Ihr sehen werdet, eignen sie sich auch am besten als Wärter für die Askorabi — ihre Körperpanzerung ist für deren Stachel praktisch undurchdringbar. Tatsächlich nennen wir in unserer Sprache diese speziellen Khau-Yisti
Kalukan — ›die
Gepanzerten‹.« Wieder lächelte er und schaute in die Sonne, die hinter den Wolken hervorgekommen war. »Das Einzige, was sie wahrhaft hassen, ist zu viel Licht. Hört nur, wie sie vor Schmerzen stöhnen! Ich denke, Ihr habt recht,

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