Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
hatten, waren mit den Gedanken bei dem neuen Feind: den Tausenden xixischer Soldaten und ihrem Gebieter, dem Autarchen. Hammerfuß, Kriegsherr der Ettins, der wie alle seiner Art nur langsam in Zorn geriet, sich aber noch langsamer wieder beruhigte, saß im Dunkeln und brodelte vor sich hin wie das flüssige Metall in den Erzöfen von Erste Tiefen.
    »Sie demütigen uns«, polterte er. »Diese Sonnländer. Jahrtausende grausamer Behandlung, Jahrhunderte der Vertreibung, und jetzt erwarten sie von uns, dass wir ihnen verzeihen ... einfach so.« Er schnippte mit den riesigen, plumpen Fingern. »Als ich da saß und ihre Gesichter sah, so formlos wie weicher, rosa Lehm, konnte ich mich nur mit Mühe davon abhalten, sie zu zerquetschen. Ich hätte sie zerquetschen sollen ...«
    »Dann wärt Ihr ein Narr«, erklärte ihm Yasammez. »Wir brauchen sie.«
    »Brauchen sie?« Hammerfuß sah auf; in dem kleinen Raum schien er noch größer zu werden. »Wir hätten sie alle niedertrampeln und zermalmen können, wenn Ihr uns nicht zurückgehalten hättet, Herrin.«
    Yasammez stand auf, und ihre Unterführer, etwa ein Dutzend an der Zahl, verstummten. »Seht Ihr das hier?«, fragte sie und berührte das Kriegssiegel. »Es bedeutet, dass Ihr mir Treue geschworen habt. Seht Ihr dieses Schwert?« Sie schlug auf Weißfeuers Scheide. »Just an dem Ort, wo meine Verwandten ermordet wurden, brach ich meinen Eid und steckte es in die Scheide. Und jetzt sagt Ihr mir, Ihr wollt doppelt eidbrüchig werden? Wo ist die Ehre der Tiefgeborenen, Hammerfuß? Wo ist das tapfere Herz, das so viele Widrigkeiten mit mir bestanden hat — wo ist der, dessen Vater und Großvater auch schon an meiner Seite kämpften?« Sie schüttelte den Kopf, und die Gedanken, die ihre Worte trugen, waren so frostig wie Winterwind. »Ich bin enttäuscht.«
    Für einen Augenblick schien es, als könnte die Wut den riesigen Ettin zu etwas verleiten, das noch jenseits von Wahnsinn lag, denn die Eide der Tiefgeborenen gehörten zum Mächtigsten, das alle Versammelten kannten. Doch selbst Kriegsherr Hammerfuß vermochte dem eisigen Blick der Fürstin Stachelschwein nicht lange standzuhalten.
    »Ich ... ich habe unüberlegt gesprochen«, sagte er. »Aber ich verstehe nicht, was wir gerade tun, Herrin. Wir sind hergekommen, um diese Kreaturen, die uns Schlimmes zugefügt haben, zu bekämpfen ... nicht um ihnen zu helfen.«
    »Wir können diesen Südländerkönig nicht selbst besiegen«, sagte Yasammez. »Wie ich Euch bereits erklärte, hat dieser Autarch zwanzig Kämpfer auf jeden der unseren und auch mehr Waffen — das ist eine Übermacht, gegen die selbst das Volk nichts vermag ... es sei denn, alles, was wir hier suchen, ist ein nobler Tod.« Im Hinsetzen machte sie die Gebärde für
Unerwünschte Komplikationen.
»Doch auch wenn wir die Sonnländer als Verbündete brauchen, heißt das nicht, dass sie Freunde sind. Letztlich müssen wir dafür sorgen, dass das Tor zu den Göttern nicht in die Hände irgendwelcher Sterblicher fällt, auch nicht in die unserer momentanen Verbündeten. Falls wir also die Südländer besiegen, aber dennoch nicht die Kontrolle über diese Stätten wiedererlangen ...« Sie zuckte mit den Schultern. »Dann wird es Zeit für andere Mittel.«
    Aesi'uah, ihre Obereremitin, schien beunruhigt. »Andere Mittel? Meint Ihr das Fieberei ...?«
    »Ja«, sagte die dunkle Fürstin und brachte sie damit zum Schweigen. »Stein der Unwilligen, wer von Euren Leuten ist mit dem Schutz des Eis beauftragt?«
    Er flackerte kurz, als wäre er überrascht. »Kessel des Schattens, große Fürstin.«
    »Ruft sie her.«
    »Natürlich. Sie wird sofort zu uns treten.«
    Gleich darauf erschien ein weibliches Mitglied der Garde der Elementargeister, das noch frisch nach der Leere roch. »Ich bin hier ...«, begann es.
    »Zeigt es«, befahl Yasammez.
    Kessel des Schattens brauchte nicht zu fragen, was sie zeigen sollte; im Nu hielt sie es in der Hand. Es war ein durchscheinender Stein von der Größe eines Menschenkinderkopfes. In seinem Innersten wirbelte etwas Trübbraunes, fast schon Schwarzes, wie eine winzige Gewitterwolke. In der Wolke wiederum leuchtete etwas Fahlgelbes, wie ein Blitz, der darum kämpfte, geboren zu werden.
    »Das Ei ist stark.« Kessel des Schattens war jung und nicht so daran gewöhnt, Wörter zu formen, wie Stein des Unwilligen. Was sie sagte, summte in den Gedanken der Zuhörenden wie Wespen. »Es wird nicht zerbrechen, es sei denn, man wirft es

Weitere Kostenlose Bücher