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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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goldenen Augen des Autarchen reichte aus, dass er Erklärungen und Entschuldigungen stammeln oder sich gar auf den Bauch werfen und um sein Leben betteln wollte. Ja, er war ein Feigling — Kettelsmit selbst wäre der Erste, der das zugäbe —, aber was ihn jetzt trieb, war etwas Urtümlicheres, Elementares. Der Herrscher des südlichen Kontinents erschien dem Dichter als eine gänzlich andere Art von Lebewesen, ein Raubtier gegenüber der glücklosen Beute, die er, Matty Kettelsmit, war, und wenn Flucht nicht infrage kam, bestand der einzige Schutz vor dieser tödlichen Bedrohung in absoluter Unwichtigkeit.
    Zunächst tauschten der Autarch und der Reichshüter nur Belanglosigkeiten aus. Der Autarch beherrschte ihre Sprache gut, und es war offensichtlich, dass dies nicht der erste Kontakt zwischen ihm und Tolly war. Was ging hier vor? Wie konnte sich der Herrscher von Südmark mit dem Monster von Xis auf ein nettes Gespräch zusammensetzen?
    Der Autarch war ohne Zweifel ein Monster, aber er war, wie Kettelsmit zugeben musste, ein faszinierendes Monster und viel jünger, als er gedacht hatte: Nach all den Geschichten über die vielfältigen Greueltaten, mit denen die Armeen des Autarchen ihren eigenen Kontinent und im letzten Jahr auch Eion überzogen hatten, war Kettelsmit eher auf einen drahtigen, narbenübersäten, alten Wüstenfalken gefasst gewesen, als auf ein rehäugiges Wesen, das trotz seiner Größe noch kaum erwachsen wirkte. Auch die Persönlichkeit des Autarchen war nicht so, wie der Dichter erwartet hatte. Er schien ziemlich gut gelaunt, wenn diese Fröhlichkeit auch manchmal genauso seltsam gekünstelt wirkte wie bei Hendon Tolly. Einiges, was er sagte, ergab überhaupt keinen Sinn, so als ob die Worte direkt aus der tiefsten Tiefe seines Denkens kämen, als ob der Südländer Gedanken ausspräche, die kein normaler Mensch jemals laut äußern würde.
    »... aber natürlich«, bemerkte der Autarch an einer Stelle und lächelte dabei Tolly die ganze Zeit an, »starben andere, die sich für weise hielten, in schreiender Unwissenheit. So wie es Euch ergehen wird.«
    Tolly starrte ihn verdutzt an, doch der Autarch plauderte schon wieder über den Krieg in Hierosol (den er als praktisch gewonnen betrachtete) und andere seltsam banale Themen, so als hätte er die Worte von eben niemals gesagt.
    Hendon Tolly sprach so bedächtig, wie jemand einen Weg entlanggeht, den er voller Fallstricke glaubt. Er schaute jedes Mal, wenn er ein Argument vorbrachte, zu Kettelsmit hinüber, als erwartete er, dass dieser ihm zustimmte, womöglich sogar laut, aber Kettelsmit war schmerzlich bewusst, dass jeder dieser beiden Männer ihm genauso unbekümmert die Kehle durchschneiden würde, wie er eine Fliege erschlüge.
    »Doch jetzt«, sagte der Autarch unvermittelt und klatschte so jäh und laut in die Hände, wie vorhin die Wachen ihre Gewehrkolben auf den Boden gerammt hatten, »reden wir über ... Wichtigeres. Ihr habt etwas, das ich brauche, Reichshüter.«
    »Wir können genauso gut sagen, dass Ihr etwas habt, das ich brauche, Hoheit.«
    »Der Autarch ist immer mit ›o Goldener‹ anzusprechen«, knurrte der xixische Priester.
    Sulepis wedelte mit einer langfingrigen Hand zu dem Priester hin. »Wir wollen nicht auf Förmlichkeiten bestehen, guter Panhyssir.« Der Autarch nahm sich einen Augenblick Zeit, um seine langen braunen Finger zu bewundern, deren Spitzen jeweils in einem merkwürdigen Goldkörbchen steckten. »Wir brauchen beide etwas, Reichshüter Tolly. Wie wollen wir das lösen?«
    »Lasst uns nicht zu weit vorgreifen.« Hendon Tollys Stimme war plötzlich schärfer geworden. »Ihr habt mir einige Dinge versprochen ... o Goldener ... und ich habe meinen Teil der Abmachung erfüllt ...«
    »Ja, aber nur dürftig«, konterte der Autarch mit einem unnachgiebigen Lächeln. »Ihr habt den Thron, aber er ist nicht sicher. Es gibt innerhalb Eurer eigenen Mauern Elemente, die Euch Widerstand leisten werden und folglich auch mir Widerstand leisten werden. Und Ihr habt den simplen Schutz Eurer Inselburg so zögerlich und dilettantisch betrieben, dass die Qar jetzt auch noch ein Faktor sind.«
    »Die Zwielichtler?« Tolly schüttelte den Kopf. »Die sind kein Faktor. Sie sind geflohen, verjagt durch meine Verteidigungsmaßnahmen und dann endgültig durch die Ankunft Eurer Schiffe.«
    »Wie bitte?« Der Autarch starrte ihn an, warf dann unvermittelt den Kopf in den Nacken und lachte schrill wie ein Kind. »Wisst Ihr es

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