Das Hexen-Amulett (German Edition)
bis zu Ebenezers Volljährigkeit treuhänderisch zu verwalten. Sollte Ebenezer ohne Nachkommen sterben, würde Werlatton an Samuel Scammell übergehen.
Der Rest des Testaments bestand aus einer Predigt zum Thema Rechtschaffenheit, die Isaac Blood mit tonloser Stimme vortrug. Es war Matthew Slythes letzte Predigt in diesem Haus. Campion hörte nicht zu. Ihr war nur eines klar: dass sie nach dem Willen ihres Vaters wie ein Stück Vieh an Samuel Scammell abgetreten wurde.
Als die Predigt zu Ende war, faltete der Advokat die steifen Papierbögen zusammen und sagte mit Blick auf die Dienerschaft: «Matthew Slythe wünscht, dass ihr alle euren Dienst hier fortsetzt. Darf ich annehmen, dass auch Ihr damit einverstanden seid?» Die Frage war an Scammell gerichtet, der lächelnd mit dem Kopf nickte und das Personal mit einer flüchtigen Geste willkommen hieß.
«Gut, gut.» Blood nippte an seinem Malvasierwein. «Und nun möchte ich darum bitten, dass alle, die nicht der engeren Familie angehören, den Raum verlassen.» Scammell, Ebenezer und Campion blieben auf ihrer Bank sitzen, während die Dienerschaft gehorsam abtrat. Treu-bis-in-den-Tod, dem es offenbar nicht gefiel, mit den Bediensteten gleichgestellt zu werden, blieb erwartungsvoll zurück, wurde aber schließlich von Isaac Blood höflich hinauskomplimentiert. Der Advokat schloss die Tür und kehrte ans Lesepult zurück. «Eures Vaters Testament enthält noch eine weitere Verfügung.» Er faltete die Papiere wieder auseinander. «Ah ja! Da steht’s.»
Er räusperte sich, nahm noch einen Schluck Wein und führte den Text vor seine kurzsichtigen Augen. «Ich bin gehalten, Euch und nur Euch folgende Worte vorzutragen, was ich hiermit tue. ‹Ich entledige mich meiner Pflichten in Bezug auf den Bund, indem ich Samuel Scammell, meinen Schwiegersohn, zum Bewahrer des in meinem Besitz befindlichen Siegels bestimme. Sollte dieser sterben, ehe meine Tochter das Alter von fünfundzwanzig Jahren erreicht hat, geht die Vollmacht über das Siegel an meinen Sohn Ebenezer über, von dem ich weiß, dass er den Statuten des Bundes Rechnung tragen wird.›» Isaac Blood betrachtete Campion mit ernster Miene und schaute wieder auf den Text. «‹Falls meine Tochter Dorcas vor ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr sterben und keine Nachkommen hinterlassen sollte, wird der Bewahrer des Siegels, wer dieser auch sein mag, alle Gelder des Bundes darauf verwenden, das Evangelium unter denen zu verkünden, die noch nicht erleuchtet sind.› So, das war’s.» Blood richtete den Blick auf Scammell. «Versteht Ihr, Mr Scammell?»
«Allerdings, sehr wohl.» Scammell lächelte und nickte eifrig.
«Master Ebenezer?»
Ebenezer nickte, zeigte sich aber, wie Campion bemerkte, ein wenig irritiert und schien das Gesagte nicht ganz begriffen zu haben.
«Miss Dorcas?»
«Nein, ich verstehe nicht.»
Ihre Antwort war anscheinend unerwartet, denn Isaac Blood schaute sie zuerst verwundert, dann verärgert an. «Ihr versteht nicht?»
Campion stand auf und ging auf die Fenster zu, die nach Norden wiesen. «Was hat es mit dem Bund auf sich, Mr Blood?» Sie spürte, dass ihr die erst jüngst gewachsenen Flügel brachen und sie ohnmächtig in die Tiefe stürzte. Mit dem Tod ihres Vaters hatte sich nichts für sie geändert. Die Hochzeit war lediglich aufgeschoben.
Der Advokat ignorierte ihre Frage. Er legte seine Papiere zusammen. «Dürfte ich Euch einen kleinen Rat geben? Ich empfehle, dass Ihr möglichst bald die Ehe schließt. In sechs Wochen vielleicht? Diese Frist wäre nicht unziemlich.» Er schaute auf Samuel Scammell. «Ihr versteht, Mr Scammell, dass Matthew Slythes letzter Wille Eure Ehe mit Dorcas voraussetzt und dass Eure Familienzugehörigkeit Bedingung dafür ist, dass dieser Wille wirksam wird?»
«Ich verstehe, durchaus.»
«Und es wäre natürlich im Sinne des Verblichenen, wenn die glückliche Verbindung nicht über Gebühr hinausgezögert würde. Die Dinge sollten geordnet sein, Mr Scammell, geordnet.»
«Wirklich und wahrhaftig.» Scammell stand auf, um den Advokaten hinauszugeleiten.
Campion wandte sich vom Fenster ab. «Mr Blood, Ihr habt meine Frage nicht beantwortet. Was hat es mit dem Bund auf sich?»
Mit dieser Frage hatte sie ihren Vater in Verlegenheit gebracht, doch der Advokat zuckte nur mit den Schultern. «Eure Mitgift, Miss Slythe. Der Grundbesitz war natürlich immer schon für Euren Bruder bestimmt. Darum hat Euer Vater Vorkehrungen für Euer
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