Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
Vom Netzwerk:
denen sie ungestört Rast machen und nachdenken konnte. Sie aß allein, schlief allein, war aber trotzdem immer allen im Haus gegenwärtig. Es schien, als lebte die Kraft ihres Vaters, mit der er seinen Missmut auf seine Umgebung übertragen hatte, in ihr weiter. Goodwife Baggerlie nahm am meisten Anstoß daran. «Sie hat einen Teufel in sich, Master, merkt Euch meine Worte.»
    «Trauer drückt sie», entgegnete Scammell.
    «Trauer? Sie trauert nicht.» Die Haushälterin verschränkte ihre Arme und blickte trotzig drein. «Sie braucht eine Tracht Prügel, Master, ja, eine ordentliche Tracht Prügel. Dann käme sie wieder zur Besinnung. Ihr Vater, Gott hab ihn selig, hätte sie ihr längst verabreicht, und das solltet auch Ihr tun.» Sie wischte mit einem Lappen den Tisch ab, an dem Scammell gerade ein einsames Mittagsbrot zu sich genommen hatte. «Es mangelt diesem Mädchen an nichts. Wäre mir auch nur einer ihrer Vorzüge vergönnt gewesen …» Sie schüttelte den Kopf und überließ es der Phantasie Scammells, sich auszumalen, welche Wunder sie als Tochter von Matthew Slythe vollbracht hätte. «Versetzt ihr eine Tracht Prügel, Master. Gürtel sind nicht nur dazu da, Hosen zu halten.»
    Scammell war jetzt der Herr im Haus. Er entlohnte die Dienstboten und trieb die Pachtzinsen ein. Ebenezer half ihm dabei und versuchte, ihm zu gefallen. Beide teilten auch eine große Sorge. Das Siegel des Bundes war nicht aufzutreiben.
    Campion kümmerte sich nicht darum. Die enormen Einkünfte durch den Bund kämen ihr ohnehin nicht zugute. Sie würde sich wider Willen in diese Ehe fügen müssen, und weder zehn noch zehntausend Pfund konnten sie Scammell gegenüber versöhnlich stimmen. Er war kein schlechter Mann, hatte aber, wie sie vermutete, einen eher schwachen Charakter. Als Ehemann hätte er anderen Frauen womöglich gereicht, aber nicht ihr. Sie wollte glücklich sein und frei, und Scammells schlaffe Lust war eine ganz und gar unzureichende Entschädigung für die Entsagung dessen, was sie sich vom Leben erträumt hatte. Sie war Dorcas und wollte Campion sein.
    Sie verzichtete auf das Bad im Bach – daran konnte sie sich nicht länger erfreuen –, ging aber manchmal an den kleinen Teich, wo jetzt der Blutweiderich blühte, und dachte an Toby Lazender. Sie vermochte sein Bild nicht mehr wachzurufen, erinnerte sich aber noch an seine neckende Art, an seine Leichtigkeit, und träumte davon, dass er eines Tages an den Teich zurückkehrte und sie aus der erstickenden Enge Werlattons befreite.
    So schwelgte sie eines Nachmittags wieder einmal in Gedanken an Toby und lächelte in Anbetracht der Vorstellung, dass er zu ihr käme, als hinter ihr auf der Wiese das Getrappel von Pferdehufen zu hören war. Sie drehte sich um und sah Ebenezer auf sich zureiten. «Schwester.»
    Noch immer lächelnd, grüßte sie zurück. «Ebenezer.» Sie hatte für einen verzückten Moment gehofft, es sei Toby. Doch statt in seines schaute sie in das grimmige Gesicht ihres Bruders.
    Sie hatte sich ihm nie verbunden gefühlt, obwohl ihr stets daran gelegen war. Während sie es als Kind immer hinaus in den Küchengarten getrieben hatte, wo sie sich von den Eltern unbeobachtet fühlen konnte, hatte Ebenezer vor seiner aufgeschlagenen Bibel gesessen und die vom Vater für den jeweiligen Tag ausgewählten Verse auswendig gelernt, doch nicht ohne seine Schwester mit neiderfüllten, eifersüchtigen Blicken zu bespitzeln. Dennoch, er war ihr Bruder, ihre einzige Verwandtschaft, und Campion hatte während der letzten Tage viel über ihn nachgedacht. Vielleicht konnte sie ihn als Verbündeten für sich gewinnen. Sie klopfte mit der flachen Hand aufs Gras zu ihrer Seite und sagte: «Komm und setz dich. Ich möchte mit dir reden.»
    «Ich habe zu tun.» Er runzelte die Stirn. Seit dem Tod des Vaters gab er sich den Anstrich kummervoller Würde, besonders dann, wenn er mit Samuel Scammell die tägliche Andacht hielt. «Ich bin gekommen, um den Schlüssel zu deinem Zimmer zu holen.»
    «Wozu?»
    «Das hat dich nicht zu interessieren!», entgegnete er gereizt und hielt ihr die geöffnete Hand entgegen. «Ich verlange danach, und das sollte genug sein. Wir, Bruder Scammell und ich, wollen den Schlüssel haben. Wenn unser Vater noch lebte, würdest du dich nicht in deinem Zimmer einsperren.»
    Sie stand auf, klopfte den Rock aus und nahm den Schlüssel vom Ring, der in einer Schlaufe am Bund steckte. «Du kannst ihn haben, Bruder, solltest mir aber sagen, wozu

Weitere Kostenlose Bücher