Das Hexen-Amulett (German Edition)
Münze.
Das zweite Bündel war mit einem Band verschnürt. Sie durchschnitt es mit der Schere, die sie zum Nähen gebrauchte, und lüftete das mit einem alten, vergilbten Leintuch umwickelte Geheimnis ihres Vaters.
Ein Paar Handschuhe.
Sie krauste die Stirn, hob die Handschuhe auf und fand darunter zwei andere Dinge. Die Handschuhe bestanden, wie sie sah, aus feiner Spitze, schön und zart wie Distelflaum und in einem puritanischen Haushalt so fehl am Platz wie Spielkarten. Es waren Damenhandschuhe, genäht für eine Frau mit langen schlanken Händen. Vorsichtig streifte Campion eines dieser edlen Stücke über und hielt ihre Hand ans Licht. Obwohl alt und vergilbt, war die Spitze immer noch wunderschön. Kleine aufgestickte Perlen säumten den Rand am Handgelenk. Umhüllt von dieser Kostbarkeit, kam ihr die eigene Hand vor wie die einer Fremden. So etwas Hübsches hatte sie noch nie getragen. Lächelnd betrachtete sie ihre Hand und fragte sich, wie das Tragen eines so schönen Dings als sündhaft verpönt werden konnte.
Ebenso vorsichtig, wie sie ihn angezogen hatte, streifte sie den Handschuh wieder ab, legte ihn zurück auf den anderen und nahm den zweiten Gegenstand des Päckchens in die Hand. Es war ein Brief aus steifem, sprödem Pergament, und sie fürchtete, dass es zerfallen könnte, wenn sie das Blatt auseinanderfaltete. Es war beschrieben von kühn geschwungener Hand. Sie setzte sich ans Fenster und las.
«Bitte bestätigt, dass der Jude Euch das Schmuckstück überbracht hat. Ihr wisst um dessen Bedeutung. Ich habe lange dafür gearbeitet, und es steht allein Euch zur Verfügung, bis das Mädchen fünfundzwanzig Jahre alt ist. Solange das Juwel in sicherer Verwahrung ist, hat auch der Bund Bestand.
Ihr seid gehalten, einen Abdruck des Siegels der von mir genannten Adresse zukommen zu lassen, und ich bitte Euch inständig, dass Ihr das Siegel kennzeichnet, um der Gefahr einer möglichen Fälschung vorzubeugen. Wir haben die Siegel von Aretine und Lopez noch nicht gesehen, sie aber das unsere. Dieser geheime Stempel ist auf mein Betreiben hin Teil unserer Vereinbarung. Enttäuscht mich bitte nicht.
Hütet das Juwel. Es ist der Schlüssel zu großem Reichtum. Dazu sind zwar auch die anderen Siegel vonnöten, doch Ihr solltet Euch schon jetzt darüber im Klaren sein, dass dieses Juwel eines Tages Gegenstand intensiver Suche sein wird.
Die Handschuhe stammen von dem Fräulein Prescott. Ihr dürft sie behalten.
Hütet das Juwel.»
Unterzeichnet war der Brief von Grenville Cony.
Cony, der Bund. Sie las den Brief ein zweites Mal. «Bis das Mädchen fünfundzwanzig Jahre alt ist.» Damit war wohl sie gemeint. Isaac Blood hatte gesagt, dass ihr das Geldvermögen aus dem väterlichen Erbe ab dem fünfundzwanzigsten Geburtstag zustünde, wenn sie denn unverheiratet bliebe. Das «Fräulein Prescott» schien ihre Mutter Martha Slythe zu sein, deren Mädchenname Prescott gewesen war. Allerdings konnte sich Campion kaum vorstellen, dass ihre korpulente, verbitterte Mutter jemals solche feinen Spitzenhandschuhe getragen hatte. Sie nahm wieder einen davon zur Hand, betrachtete die Perlen am Saum und fragte sich, welchem Rätsel ihre Mutter diese Prachtstücke verdankte.
Der Brief warf mehr Fragen auf, als er beantwortete. Die Namen Aretine und Lopez sagten Campion nichts. «Ihr solltet Euch schon jetzt darüber im Klaren sein, dass dieses Juwel eines Tages Gegenstand intensiver Suche sein wird.» Dazu war es tatsächlich gekommen. Ebenezer und Scammell hatten das Haus durchsucht, und aus London war dieser seltsame Mann gekommen, der ihr sein Knie zwischen die Beine gestoßen hatte – und das alles wegen des letzten Gegenstandes, der sich in dem Päckchen befand.
Grenville Cony hatte in seinem Brief das Siegel als ein Schmuckstück bezeichnet, ein Juwel. Sie hob es auf und war von seinem Gewicht überrascht. Es bestand aus purem Gold und hing an einer Goldkette, sodass es am Hals getragen werden konnte. Ein so kostbares Ding hatte Campion, die in religiöser Strenge aufgezogen worden war, noch nie zu Gesicht bekommen.
Es handelte sich um ein zylindrisches Geschmeide, so groß wie ihr Daumen und mit Edelsteinen besetzt, die so weiß wie Sterne und so rot wie Feuer leuchteten.
In der unteren Schnittfläche befand sich das Siegel. Es war stumpfer als das Gold der Fassung, aus Stahl, wie sie vermutete. Die Prägung war nicht weniger kunstvoll als das goldene Juwel.
Die ersten Sonnenstrahlen fluteten über die
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