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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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Scammells Zimmer lag über dem Haupteingang, und sie konnte sein Schnarchen hören, als sie den oberen Treppenabsatz erreichte. Goodwife Baggerlie schlief in der Kammer gleich neben dem Einkleidezimmer ihrer Mutter und würde schon bei dem geringsten Laut aufwachen. Campion streifte die Schuhe ab und schlich auf Socken durch den kurzen Gang in das große, stille Zimmer, wo ihre Eltern über viele unglückliche Jahre das Bett miteinander geteilt hatten.
    Es roch nach Wachs in diesem Zimmer. Das Ehebett, über dem sich, von vier Pfosten gestützt, ein dunkler Baldachin wölbte, war mit einer schweren Leinendecke bespannt. Das Ankleidezimmer des Vaters befand sich auf der rechten Seite, das der Mutter zur Linken. Campion zögerte.
    Sie konnte die Hand vor Augen nicht sehen und bedauerte, keine Kerze dabei zu haben. Doch die Vorhänge waren aufgezogen, und allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Sie hörte den eigenen Atem. Jedes Geräusch schien verstärkt zu sein: das Rascheln ihrer Kleider, ja selbst das kaum merkliche Schleifen ihrer bestrumpften Füße auf den Holzdielen.
    Als sie den Kopf nach rechts drehte, hörte sie sogar ihre Haare über die Schulter streichen, und dann sah sie das wüste Durcheinander im Ankleidezimmer ihres Vaters. Jemand war schon vorher hier gewesen, hatte die Truhe durchwühlt und die Kleider aus den Regalen gezogen. Vermutlich, so dachte sie, hatte auch das Zimmer der Mutter eine ähnliche Behandlung erfahren. Die Tür war angelehnt.
    Sie schlich darauf zu, balancierte vorsichtig jeden Schritt aus und hielt beim kleinsten Knarren der Dielen inne. Schließlich war die Tür erreicht, die sich, als sie mit der Hand dagegendrückte, lautlos in den Angeln drehte.
    Mondlicht fiel in den kleinen Raum. Die Tür gegenüber führte direkt ins Schlafzimmer der Haushälterin. Sie war geschlossen. Eine Durchsuchung schien hier nicht stattgefunden zu haben – falls doch, hatten die Eindringlinge anschließend wieder aufgeräumt, oder sie waren von der Haushälterin auf frischer Tat ertappt und davongejagt worden. Die Kammer wurde jetzt zur Aufbewahrung der schweren Leinen genutzt, die bleich in den Regalen lagen. Es roch streng nach Raute, die nach Ansicht der Haushälterin die Motten fernhielt.
    Weggeschlossen. Die große Truhe der Mutter stand mit aufgeklapptem Deckel vor der Wand.
    Campion war nervös. Sie lauschte angestrengt ins Dunkel, hörte das Knacken im Gebälk des alten Hauses und von weither das gedämpfte Schnarchen von Scammell.
    Sie erinnerte sich, als Kind häufig mit der alten Köchin Agnes im Küchengarten Heiß-oder-kalt gespielt zu haben, und so wie damals spürte sie auch jetzt, dass sie auf der richtigen Fährte war. Sie glaubte, Agnes’ Stimme nach all den Jahren wieder zu hören. «Warm, wärmer. Du verbrennst dich gleich, Kind, so nah bist du schon dran. Such weiter, such weiter!»
    Nach der intensiven Beschäftigung mit den Aufzeichnungen des Vaters hatte ihr Instinkt sie hierher geführt, und nun versuchte sie, sich in die Lage ihres Vaters zu versetzen, als dieser sich hierher begeben und nach einem sicheren Versteck Ausschau gehalten hatte.
    Geheime Winkel. Weggeschlossen. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ihr Vater hatte, ehe Treu-bis-in-den-Tod nach Werlatton gekommen war, an jedem Sonntag vor allen Angehörigen des Hauses gepredigt, und nun erinnerte sich Campion an eine seiner Predigten. Sie hatte sich, wie üblich, über mindestens zwei Stunden hingestreckt. Die Dienstboten und Familienmitglieder waren gehalten gewesen, auf den harten Bänken still zu sitzen, wenn er redete, und sie erinnerte sich, dass die Predigt an jenem Sonntag von den geheimen Winkeln im Herzen eines Menschen handelte. Es sei nicht genug, hatte Matthew Slythe gesagt, sich nach außen hin als Christ auszugeben, zu beten und Gutes zu tun, denn in den geheimen Winkeln des Herzens könne dennoch das Böse lauern, Gott aber schaue auch und vor allem in diese Winkel hinein.
    Matthew Slythe hatte sie mit dem Geheimfach einer Truhe verglichen, in der ein Dieb, der in der Nacht kommt, nichts weiter als eine gewöhnliche Truhe sehe, nur ihr Besitzer wisse um das geheime Fach im doppelten Boden der Truhe. So wisse auch Gott, der Schöpfer der Menschen, um all die verborgenen Winkel im Herzen seiner Geschöpfe. Campion erinnerte sich an dieses Gleichnis, das ihr Vater, wie sie ahnte, aus seinem eigenen Handeln und Erleben geschöpft hatte.
    Nicht diese, sondern seine

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