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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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wurde, rieb er sich vergnügt die Hände. «Mein lieber Ebenezer, lass mich dir ein schönes Scheibchen abschneiden. Und schenk dir noch ein Glas Wein ein. Bitte. Mehr.»
    Das Schicksal war dem Advokaten wieder hold. Er hatte den Herbststürmen standgehalten und sah seine Bemühungen fruchten. Der Bund würde ihm gehören. Er legte ein Stück Brustfleisch auf Ebenezers Teller und sagte: «Links von dir findest du das Rübengemüse, mein lieber Junge, und die Bratensoße. Schneide doch bitte das Brot auf. Wie wär’s noch mit einem Flügelchen? Nein?»
    Sie aßen und schwiegen einträchtig. Ebenezer wäre von seiner Schwester ebenso wenig erkannt worden wie sie von ihm. Er wirkte um einiges älter, und sein düsteres Gesicht war von einer bitteren Weisheit gezeichnet, die so gar nicht zu seinen jungen Jahren passte. Er hatte sich die Haare länger wachsen lassen, sie waren zurückgekämmt und fielen ihm bis in den Nacken, er sah aus wie ein Räuber, ein Eindruck, den seine funkelnden Augen noch verstärkten.
    Zwar behinderte ihn immer noch das verkrüppelte Bein, doch hatte er nun eine Kraft in sich gefunden, durch die er sich anderen überlegen fühlte. Er kleidete sich nicht mehr in Schwarz, sondern bevorzugte ein sakrales Violett, das ihm das Aussehen eines Geistlichen verlieh. Er war glücklich wie seine Schwester, doch während Dorcas ihr Glück in der Liebe und einer großzügigen Umgebung gefunden hatte, ergötzte sich Ebenezer an dunklen, blutigen Machenschaften. Er hatte gelernt, seinen Glauben als Waffe einzusetzen, und durch Sir Grenville Cony seine Berufung gefunden.
    Im Namen Gottes und im Dienst des parlamentarischen Komitees für Sicherheit nahm sich Ebenezer derer an, die der Untreue bezichtigt wurden, und folterte aus ihnen die Wahrheit heraus. Die Schreie von Frauen auf der Streckbank, das Wimmern derer, denen die Füße von Eisenstiefeln zerquetscht wurden, das Knacken brechender Knochen – daran hatte Ebenezer seine Freude. Seine Werkzeuge waren die Klinge, das Feuer und der Flaschenzug, Haken, Nadeln und Kneifzangen, und wenn er anderen Schmerzen zufügte, fühlte er sich frei. Er stand über dem Gesetz, sowohl über menschlichem als auch göttlichem Recht, und sah sich in eine Sonderstellung befördert, die ihn von den moralischen Zwängen loslöste, die er anderen auferlegte. Er war anders, war immer anders gewesen und wusste nun endlich um seine Überlegenheit. Eine Person aber erkannte er als seinen Herrn an: Sir Grenville Cony.
    Sir Grenville lutschte an einem Knochen, den er dann ins Feuer warf. «Barnegat hat recht behalten», gluckste er. Barnegat war Sir Grenvilles Astrologe und hatte ihm für Weihnachten gute Nachrichten in Aussicht gestellt. Sir Grenville löffelte sich mehr Soße auf den Teller. «Und du hattest recht, was diesen Priester betrifft. Ich bin froh, dass wir ihm geholfen haben. Wie ist er so?»
    Ebenezer lehnte sich zurück und verriet mit keiner Miene, was er dachte. «Ehrgeizig. Er fühlt sich betrogen.»
    Sir Grenville grunzte. «Deine Beschreibung trifft auf mindestens die Hälfte aller Parlamentsabgeordneten zu. Kann man ihm trauen?»
    «Ja.»
    Am Weihnachtsmorgen, während Sir Grenville in Westminster weilte, war ein seltsames Paar in seinem Haus zu Gast gewesen: Pastor Treu-bis-in-den-Tod Hervey und Goodwife Baggerlie. Durchfroren und müde hatten sie am Tor in der Seitengasse geläutet, wo ihnen von Ebenezer aufgemacht worden war, der sich ihre Geschichte anhörte und ihnen dann ein Quartier in St. Giles empfahl. Nach Hause zurückgekehrt, war Sir Grenville von Ebenezer mit einer freudigen Nachricht empfangen worden, die ihn allen Kummer vergessen ließ und wieder zuversichtlich stimmte.
    Sir Grenville war immer noch beglückt von dieser Nachricht. «Warum ist diese Frau mitgekommen?»
    Ebenezer zuckte mit den Schultern und nippte an seinem Weinglas. «Sie hasst Dorcas. Hervey wollte ihr wohl Euer Haus zeigen.»
    «Verlangt auch sie zwanzig Pfund?»
    «Nein.» Vorsichtig stellte Ebenezer das Glas zurück auf den Tisch. Er war in all seinen Bewegungen sehr genau. «Ich vermute, sie ahnt, dass mit Samuel Scammell auf Dauer nicht zu rechnen ist.»
    Sir Grenville lachte. «Kluge Frau. Es wäre uns allerdings viel Ärger erspart geblieben, wenn sie uns hätte sagen können, wer dieser Kerl ist, der mit dem Mädchen durchgebrannt ist. Nun ja, Schwamm drüber.» Er schmunzelte.
    Sir Grenville konnte sich wirklich glücklich schätzen. Vor nur vier Monaten hatte er noch

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