Das Hexen-Amulett (German Edition)
sein Blut geriet in Wallung. Sie war märchenhaft, ihre Schönheit fast beängstigend.
Sir Georges Blick wanderte von Campion zu seinem Sohn, zurück zu Campion und schließlich zu seiner Frau. Mit einem kleinen, heimlichen Achselzucken quittierte er den amüsierten Ausdruck im Gesicht von Lady Margaret. Beide spürten, wie es um ihren Sohn stand. Die Monate in Oxford hatten weder ihn noch Campion umgestimmt. Sir George wusste, dass er sich geschlagen geben musste. Nur die Feuer der Hölle würden diese beiden auseinanderbringen können.
14
London erlebte dieses Jahr kein glückliches Weihnachten. Nachdem der König Newcastle eingenommen hatte, war die Kohle knapp. Zwar halfen die Schotten als Verbündete des Parlaments aus und lieferten, was sie an Kohle übrig hatten, doch die Preise waren so hoch, dass die meisten Bürger nichts davon hatten. Selbst wenn man alle Bäume in den königlichen Parks rund um London gefällt, zerhackt und in den Straßen verteilt hätte, wären die meisten Einwohner der Stadt, die über eine Viertelmillion zählten, unversorgt geblieben. Und so mussten fast alle bitterlich frieren. So gut sie konnten, wappneten sie sich mit wärmenden Kleidern gegen den kalten Ostwind und sahen zu, wie sich die Themse oberhalb der London Bridge allmählich mit Eis überzog. Es sollte ein langer, grimmiger Winter werden.
Weihnachten hätte in dieser trostlosen Zeit ein Lichtblick sein können, war aber vom Parlament in seiner unermesslichen Weisheit abgeschafft worden.
Schuld daran trugen die Schotten. Die neuen Verbündeten des Parlaments, energische Männer aus Edinburgh und anderen zugigen Gegenden im Norden, hielten das Weihnachtsfest für eine heidnische Absonderlichkeit, die dem Christentum hinterlistig aufgepfropft worden war. Und so erklärten die presbyterianischen Schotten, dass in einer Welt, die von den Heiligen zur Vollkommenheit geführt werde, Weihnachten keinen Platz habe. Um den neuen Verbündeten zu gefallen, deren Streitkräfte, obwohl sie noch nicht eingetroffen waren, gewiss zum Sieg und der Herrschaft der Heiligen verhelfen würden, stimmten die Vertreter des Unterhauses eifrig zu und beschlossen die Abschaffung des Weihnachtsfestes. Im Gedenken an Christi Geburt fröhlich zu sein war jetzt nicht nur eine Sünde, sondern auch ein Straftatbestand. Wahrlich, der Tag des Herrn stand unmittelbar bevor.
London, eine dem Parlament geneigte Stadt, bewohnt von Puritanern jeder Couleur, schien jedoch mit der Entscheidung nicht einverstanden zu sein. Das Parlament erklärte, dass am Weihnachtstag die Geschäfte wie üblich geöffnet sein und die Flussschiffer ihren Fährdienst aufrechterhalten sollten, soweit das zunehmende Eis es erlaube. Aber niemand folgte dem Erlass. So einfach ließ sich Weihnachten nicht abschaffen, auch nicht durch schottische Geistliche, die aus ihrer kalten Heimat gekommen waren, um dem Süden das Licht der Wahrheit zu bringen. London bestand auf seinem Weihnachtsfest, ob heidnisch oder nicht. Die Feiern aber waren halbherzig, Freude mochte nicht aufkommen. Die Presbyterianer sahen über den Ungehorsam der Bürger hinweg und trösteten sich mit der Gewissheit, dass Frömmigkeit und Gottesfurcht rechtzeitig obsiegen würden.
Wie die meisten Vertreter des Unterhauses bekannte sich nun auch Sir Grenville Cony öffentlich zum Glauben der Presbyterianer. Auf sein Weihnachtsfest aber mochte auch er nicht verzichten. Nachdem er am ersten Weihnachtstag seinen Pflichtbesuch in der Westminster Hall absolviert und sich auf dem Rückweg über geschlossene Geschäfte und offene Wirtshäuser geärgert hatte, kehrte er in sein Haus am Strand zurück, wo in dem großen Marmorkamin unter dem Bild des nackten Narziss ein hochaufloderndes Feuer brannte. Für das Hauptgericht seines Festmahls hatte er sich einen Pfau besorgt, der noch im Ofen steckte, als er sich über die geröstete Gans und den Schweinebraten hermachte. Er schmauste bis in den Nachmittag hinein, spülte die Köstlichkeiten mit dem von ihm bevorzugten Bordeaux herunter und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass sein Magen nicht protestierte. Auch als er gezwungen war, den Hosenbund zu öffnen, und an den Schnüren nestelte, mit denen die Hose am Überrock festgebunden war, empfand er keinerlei Schmerzen. Zwar spürte er große Luftblasen aufsteigen, die in der Kehle platzten, doch daran war er gewöhnt, und sie taten nicht weh. Als der gebackene und mit einer köstlichen Farce gestopfte Pfau aufgetischt
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