Das Hexen-Amulett (German Edition)
Schlimmstes befürchtet. Lopez in Amsterdam, das Mädchen verschwunden. Doch seine Sorgen hatten sich als grundlos erwiesen. Wie es schien, war der Jude nach Amsterdam gekommen, um dem kriegerischen England näher zu sein. Wahrscheinlich investierte Mordecai Lopez, so vermutete Sir Grenville, in beide Kriegsparteien, auch wenn bislang nur bekannt geworden war, dass er dem König Geld geliehen hatte. Nichts deutete allerdings darauf hin, dass Lopez über Matthew Slythes Ableben informiert war, und auch das Mädchen hatte nicht versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Sir Grenville würde seine Schießhunde getrost aus Holland abziehen können.
Er schob seinen Teller beiseite, rülpste leise und lächelte Ebenezer zu. «Wollen wir ans Fenster rücken?»
Sie saßen vor dem Fenster und starrten auf die Themse hinaus. Es war fast dunkel. Ein einziges Boot mit einer brennenden Laterne im Bug glitt stromaufwärts. Die Ruderknechte mussten sich mächtig anstrengen, denn das Eis an beiden Ufern hatte die Strömung anschwellen lassen. Bald wäre der Fluss nicht mehr beschiffbar. Sir Grenville würde zusätzliche Wachen im Garten postieren müssen, weil auf zugefrorenem Wasser sein Grundbesitz leichter zugänglich wäre.
Griffbereit auf dem kleinen Tischchen, das zwischen ihnen stand, lagen Weintrauben und mit französischem Marzipan umhüllte Mandeln aus Jordanien. Sir Grenvilles Büro war für die Festtage wohnlich hergerichtet worden, und die Nachricht des Tages krönte das Fest. Sir Grenville steckte sich eine Mandel in den Mund und lächelte. «Wir können wahrhaftig von Glück sagen, Ebenezer.»
«Das können wir.» Der junge Slythe verzog keine Miene.
Das Mädchen hielt sich in Lazen Castle auf. Der Priester, so Ebenezer, habe es ohne jeden Zweifel wiedererkannt und darum den beschwerlichen Weg nach London auf sich genommen. Sir Grenville kicherte. Um seine Froschaugen kringelten sich fröhliche Fältchen. «Und sie hat das Siegel getragen!»
«Sie trug einen goldenen Tubus an goldener Kette», präzisierte Ebenezer übergenau.
Sir Grenville war bester Stimmung. Er gluckste vor Vergnügen, was sich seltsam anhörte, und füllte sein Glas. Er trank reichlich, während Ebenezer sehr zurückhaltend blieb.
«Lazen Castle. Lazen Castle. Günstiger hätte es kaum kommen können.»
Ebenezer schwieg. Er musterte den kleinen, überaus feisten Mann mit dem geöffneten Hosenschurz und den von Fettflecken starrenden Kleidern. Er schaute Ebenezer an und sagte: «Von meinem Mann in Oxford weiß ich, dass sie Lazen befestigen.»
Ebenezer legte die Stirn in Falten. «Wäre es deshalb nicht geraten, meine Schwester zu holen, bevor sie damit fertig sind?»
«Nein, Ebenezer, nein!» Sir Grenville strahlte vor Freude. «Wozu die Mühe? Ein Wort von mir, und das Parlament setzt Truppen in Marsch. Wir werden Lazen Castle belagern, einnehmen und deine Schwester wegschaffen. Sie und einiges mehr.» Lachend schenkte er sich wieder ein. «Kennst du das Schloss?»
«Nein.»
«Ein prächtiger Besitz.» Sir Grenville nickte zufrieden. «Der ältere Teil des Wohnhauses geht auf Elizabeth zurück, und dann gibt es einen neuen Flügel, der von Lyminge entworfen wurde. Die Stuckarbeiten in der langen Galerie sollen, wie ich mir habe sagen lassen, vorzüglich sein. Daran angeschlossen sind ein recht großes Waldgebiet, knapp zwei Quadratmeilen Ackerland und etwa doppelt so viel Weideflächen.» Er lachte tonlos, wobei seine Schultern auf und ab hüpften. Als er wieder sprach, klang seine Stimme wie die eines kleinen, schadenfrohen Buben. «Ich glaube, der Grafschaftsausschuss für Beschlagnahmung würde sich freuen, mir den Besitz überschreiben zu können, meinst du nicht auch?»
Ebenezer deutete ein Lächeln an. Er wusste, dass sich Sir Grenville schon seit geraumer Zeit an dem vom Parlament beschlagnahmten Grundbesitz seiner politischen Widersacher bereicherte und im Süden Englands bereits riesige Ländereien sein Eigen nannte. «Wem gehört dieser Besitz zur Zeit?»
«Sir George Lazender. Ein schrecklich ehrlicher Mann. Mit einer großartigen Frau an seiner Seite. Sir George hat sich auf die Seite unserer Feinde geschlagen. Also können wir ihn guten Gewissens bestrafen.»
«Amen.»
«Und er hat einen Sohn, an dessen Namen ich mich allerdings nicht erinnern kann. Kann es sein, dass deine liebe Schwester seinetwegen Reißaus genommen hat?»
Ebenezer zuckte mit den Achseln. «Keine Ahnung.»
«Ist ja auch ohne Belang. Hauptsache, wir
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