Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
Vom Netzwerk:
etwas Warmes an seiner Schulter.
    »Jakob? Bist du noch am Leben? So rühr dich doch!«
    Jakob hob den Kopf. »Marthe!« Er richtete sich auf und fiel ihr in die Arme. Noch nie hatte er sich so gefreut, einen vertrauten Menschen wiederzusehen.
    »Dem Himmel sei Dank! Du lebst!« Marthe strich ihm über den Rücken. »Ich dachte schon, der Bär hätte dich in Stücke gerissen.«
    »Hätte er auch beinahe.« Jakob spürte die Angst von sich abfallen wie eine schwere Ritterrüstung.
    »Bist du verletzt?«, fragte Marthe und stützte Jakob beim Aufstehen.
    Er begutachtete seinen Körper. Seine Kleider und Füßlinge waren zerschlissen, Handflächen und Knie aufgeschürft und blutig. Vorsichtig bewegte er Arme, Kopf, Beine und Füße. »Glaub nicht«, sagte er schließlich.
    »Komm, setzen wir uns dort.« Marthe führte Jakob zu einem Baumstamm.
    »Hast du den Bären gesehen?« Jakobs Stimme zitterte noch etwas.
    »Ja«, erwiderte Marthe. »Und ich habe gesehen, wie du genau das Richtige gemacht hast.«
    »Aber ich habe doch gar nichts gemacht.«
    »Genau. Du hast dich tot gestellt.«
    »Hm. Na ja. Irgendwie schon.« Jakob kratzte sich im Nacken. Dort, wo der Bär eben noch mit seiner Schnauze geschnüffelt hatte.
    »Der Bär war ganz dicht an dir dran. Und du hast noch nicht einmal gezittert.« Marthe sah Jakob nachdenklich an. »Du bist kein Schwächling. Das war blöd von mir. Ein Schwächling hätte das nie im Leben ausgehalten.«
    Jakob winkte schnell ab. »Ich hatte nur Glück, dass eine Rehgeiß in der Nähe war.«
    »Eine Rehgeiß?« Marthe sah Jakob erstaunt an.
    »Da war dieses Geräusch. Es war eindeutig eine Rehgeiß. Der Bär hat sie auch gehört.«
    »Ach so.
Dieses
Geräusch.« Marthe sah auf ihre Füße und lächelte geheimnisvoll. Dann machte sie wieder ein ernstes Gesicht. »Auf jeden Fall ist der Bär weg. Und wir sind beide noch am Leben. Ich finde, wir haben uns eine Pause verdient.« Sie öffnete den Mantelsack, den sie aufgehoben hatte, wo Jakob ihn hatte fallen lassen.
    Marthe und Jakob teilten sich einen Fladen und aßen ein paar Beeren. Sie sprachen über ihre Lieblingsspeisen, über ihre Heimatstadt und über ihre Haustiere. Nur über Hexen und Bären redeten sie nicht.
    Allmählich fühlte Jakob sich besser und sie setzten ihren Weg fort. Sie stiegen weiter ins Tal hinab, bis sie zu einem Bach kamen. Marthe sah mit zusammengekniffenen Augen in den Himmel, der sich bereits verdunkelte. Sie runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht   …«, begann sie und blickte sich nach allen Richtungen um. Sie ging zu einem Baum und musterte seine Rinde. »Wenn hier Westen ist«, sagte sie schließlich und zeigte auf die moosbewachsene Seite des Stammes, »müsste eigentlich dort drübenauf der anderen Seite des Bachs der Buckelfels liegen.«
    Jakob spähte das Tal entlang. »Vielleicht müssen wir nur noch ein Stück am Bach entlang.«
    Marthe schüttelte den Kopf. »Hier sieht es ganz anders aus, als ich es von den Wanderungen mit meiner Mutter kenne.«
    »Du meinst, es sieht aus wie in einem ganz anderen Tal?«
    Marthe nickte und sah Jakob niedergeschlagen an. »Es tut mir leid. Wir haben uns verlaufen.«
    Jakob zog die Augenbrauen zusammen. Mussten sie jetzt etwa den ganzen Weg zurückgehen? Bergauf? Durch den Bärenwald?
    Marthe setzte den Mantelsack ab. »Was machen wir jetzt? Einfach weitergehen?«
    Jakob schüttelte den Kopf. Er konnte nicht mehr weiter. Weder bergauf noch bergab noch geradeaus. »Lass uns hier übernachten. Morgen sehen wir weiter.«

Der unheimliche Verfolger

    Die zweite Nacht im Höllengebirge war ganz anders als die erste. Zum Glück. Jakob schlief tief und fest. Er war viel zu erschöpft, um Angst zu haben.
    Am nächsten Morgen brachen Jakob und Marthe mit den ersten Sonnenstrahlen auf. Sie folgten dem Bachlauf Richtung Norden. Doch vom Buckelfelsen war weit und breit nichts zu sehen. Wie Marthe befürchtet hatte. Dieser Felsen war Marthes einziger Orientierungspunkt. Ohne ihn konnte sie den Weg in die Todesschlucht nicht finden. »Wahrscheinlich sind wir zu sehr vom Weg abgekommen, als wir vor dem Bären geflohen sind«, sagte sie.
    Plötzlich raschelte es, nur wenige Schritte von ihnen entfernt.
    Jakob und Marthe fuhren herum. Hektisch überflogen sie die umstehenden Büsche und Baumgruppen. Was war das? Wieder ein Bär?
    Alles blieb ruhig. Nichts bewegte sich. Nur ein paar Halme bogen sich im lauen Wind.
    »Wahrscheinlich nur eine Maus«, sagte Marthe.
    »Für eine Maus

Weitere Kostenlose Bücher