Das Hexenkraut
hat es aber ganz schön laut geraschelt«, meinte Jakob, wobei er die Büsche nicht aus den Augen ließ.
»Komm, gehen wir weiter«, sagte Marthe. »Dort drüben klettern wir über den Bach.« Sie zeigte auf eine Stelle, an der drei große Steine im Bach lagen. »Dann steigen wir auf der anderen Seite aus dem Tal. Vom Bergkamm aus haben wir eine bessere Sicht. Vielleicht finden wir so den Weg.«
Jakob schulterte den Mantelsack und folgte Marthe. Alle paar Schritte drehte er sich um. Manchmal kam es ihm vor, als könne er aus den Augenwinkeln eine schattenhafte Bewegung wahrnehmen. Doch als er den Blick über die Landschaft streifen ließ, blieb alles ruhig, nichts bewegte sich. Mehrmals meinte er, ganz deutlich ein Rascheln hinter sich zu hören. Aber im nächsten Moment war er sich nicht mehr sicher, ob es nicht doch nur das Rauschen des Bachs gewesen war. Jakob schüttelte über sich selbst den Kopf. Seit ihn der Bär gejagt hatte, war er schreckhaft wie ein Hase. Bestimmt bildete er sich alles nur ein. Schweigend folgte er Marthe den Hang hinauf. Trotzdem konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass sie verfolgt wurden.
Kurz vor dem Gipfel setzten sich Jakob und Marthein den Schatten einer kleinen Kiefer. Sie hatten im Bach ihren Krug nachgefüllt. Jetzt teilten sie sich den letzten Fladen. Die nächsten Tage mussten sie von dem leben, was sie im Wald fanden. Jakob hatte riesengroßen Hunger. Der Fladen schmeckte ihm köstlich, obwohl er schon ganz hart war.
Marthe wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und sah ins Tal hinab. Auf einmal verengten sich ihre Augen. Sie tippte Jakob leicht mit dem Finger ans Knie und flüsterte: »Bleib ganz ruhig sitzen und guck mal zu dem großen Hagebuttenstrauch dort drüben.«
Jakob schluckte schnell das letzte Fladenstück herunter und sah zu dem Strauch. Er war fünf, vielleicht auch zehn Schritte entfernt von ihnen. Zunächst konnte Jakob nichts Ungewöhnliches erkennen. Aber dann fiel ihm auf, dass ein Zweig wackelte.
»Also doch«, flüsterte er. »Wir werden verfolgt.« Jakob musste an all die Geschichten denken, die er über die Todesschlucht gehört hatte. »Bestimmt von einer wilden Bestie.«
Marthe runzelte die Stirn. »Hm. Na ja, ich weiß nicht. Ein hungriges Tier hätte uns doch schon längst angegriffen, oder nicht?«
»Wenn es keine Bestie oder Tier ist, was dann?«
Marthe flüsterte zurück: »Weiß ich auch nicht. Aber wir müssen es herausfinden.«
Jakob dachte einen Moment nach. Dann sagte er leise: »Wir stellen dem Verfolger eine Falle. Wir trennen uns. Der Verfolger kann nur einem von uns folgen. Ich gehe mit dem Mantelsack vor. Wenn es der Verfolger auf unseren Proviant abgesehen hat, wird er mir nachlaufen. Du überraschst ihn dann von hinten.«
Marthe biss sich auf die Unterlippe. Sie war sich nicht sicher, ob es so eine gute Idee war, sich zu trennen. Zu zweit waren sie immerhin stärker. Aber ihr fiel nichts Besseres ein. Schließlich nickte sie.
Jakob stand auf und nahm den Mantelsack. Nervös sah er zum Hagebuttenstrauch.
»Also«, sagte Marthe so laut, dass man es auch in zehn Schritten Entfernung hören konnte. »Geh du schon mal vor. Ich ruhe mich noch etwas aus.«
Jakob nickte Marthe zu. Dann schritt er langsam mit dem Mantelsack auf der Schulter den Hang hinauf. Nach zehn Schritten sah er kurz zu Marthe hinüber. Sie saß noch immer unter der kleinen Kiefer. Sie deutete auf einen Felsen und nickte. Der Plan funktionierte. Der Verfolger war hinter Jakob her.
Jakob kletterte weiter den Hang hinauf. Hinter ihm rollten ein paar Steine den Hang hinab. Jakob war sich sicher, dass er sie nicht losgetreten hatte. Ein Ast knackte. Doch Jakob widerstand der Versuchung, sich umzusehen. Mit jedem Schritt klopfte sein Herz lauter. Es hätte ihn nicht einmal gewundert, wenn er seinen Verfolger gehört hätte.
Jakob zwang sich, nicht schneller zu laufen, obwohl er den Hang am liebsten hinaufgerannt wäre. Er stieg über Steine und quetschte sich durch dichtes Gebüsch. Dabei lauschte er ganz genau auf jedes Geräusch hinter sich. Doch schon seit ein paar Schritten hatte er nichts mehr gehört. Weder klackerten Steine noch raschelten Gräser. Was hatte das zu bedeuten? Hatte der Verfolger Verdacht geschöpft und war besonders vorsichtig? Oder war er ganz und gar verschwunden? Auf einmal schoss Jakob ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf: Was, wenn der Verfolger sich auf Marthe gestürzt hatte? Sie war zwar über ein Jahr
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