Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Geldstück in die Hand und verabschiedete sich mit freundlichen Worten von ihm. Der Alte nahm die Deichsel seines Karrens wieder auf und ging weiter.
»Lauft ihr nur nach Heiligenstadt«, feixte er leise, als er seinen Milchkarren aus der Stadt hinauszog.
Barbara Jacobi saß im Wohnzimmer auf einem der dunklen Stühle und blickte starr auf den Strauß bunter Wiesenblumen vor sich auf dem Tisch. Er stand in einer Töpferarbeit aus der eigenen Werkstatt – ockerfarbene Keramik mit einem eingebrannten dunklen Wellenmuster.
›Schön, aber langweilig‹, urteilte sie über die Töpferei. Sie seufzte niedergeschlagen, denn ihre momentane Lage erforderte, dass sie sich mit ihrem Schwiegersohn aussöhnte. ›Es hilft nichts‹, dachte sie. ›Ob ich will oder nicht, ich muss mit Otto reden. Er ist schließlich unser Töpfermeister und vertritt Albert.‹
Beim Gedanken an ihren Schwiegersohn verzog sie säuerlich das Gesicht. ›Ich weiß nicht recht. Vielleicht reicht es ja
auch, wenn ich gute Miene zum bösen Spiel mache‹, überlegte sie weiter.
Ihre Sorgen waren nicht grundlos. Denn wenn Kurfürst Johann Schweikhard von Kronberg tatsächlich alle Keramikwerkstätten verbieten lassen würde, dann bedeutete das für die vielen Familien mit kleineren Töpfereien den Ruin. Die Jacobis hätten vielleicht noch Glück, da sie mittlerweile zu einer der angesehensten Familien in Heiligenstadt zählten und ihre Töpferarbeiten weit über die Stadt hinaus bekannt und begehrt waren. Schon vor Jahren hatte Barbara den Einfall gehabt, die Keramikstücke mit floralen Motiven zu verzieren. Dadurch hob sich die Jacobische Ware von den derben Gebrauchsgegenständen der kleineren Betriebe ab, die die Töpferwaren meist im Winter als Nebenerwerb herstellten, wenn die Äcker nicht bestellt werden konnten.
Dank der beiden Handelsstraßen, die durch Heiligenstadt führten, florierte das Geschäft. Die Jacobis mussten nicht wie die armen Bauern mit Leiterwagen von Ort zu Ort ziehen, um ihre Ware anzupreisen, denn sie verfügten über eine Verkaufswerkstatt. Händler kamen von überall her, um ausgefallene Stücke bei ihnen zu kaufen. Und vor allem auch zu den Wallfahrten fanden viele Käufer den Weg zu ihrem Geschäft, da die extra für diesen Anlass hergestellten Töpferwaren mit christlichen Motiven bei den Pilgern sehr beliebt waren.
›Ja‹, dachte Barbara, ›es geht uns wirklich gut, und bestimmt wird das auch weiterhin so bleiben. Denn es können ja schließlich nicht alle Töpfereien geschlossen werden! Aber was, wenn doch?‹
Stimmen im Flur rissen sie aus ihren Gedanken. Unwillig erhob sie sich, um nachzusehen, was draußen los war. Im Gang stand ihre Nachbarin und war ganz aufgeregt. Soeben hatte sie die Dienstmagd nach Barbara gefragt.
»Gabriele, was ist passiert?«
»Ah, Barbara, stell dir vor, ich habe soeben von meinem Vetter Ewald gehört, dass ein Heiler hierher nach Heiligenstadt unterwegs ist. Er hat den Ruf, ein berühmter und fähiger Mann zu sein, der sogar schon einen Goldschatz gefunden haben soll. Ewald erzählte auch, dass er es war, der die Hexe in Worbis überführt hat …«
Barbara Jacobi winkte ab: »Ich will von angeblichen Hexen nichts wissen, Gabriele. Mich drücken andere Sorgen …«
»Aber, Barbara, vielleicht kann dieser Magier deinen Mann heilen! Deshalb bin ich doch sofort zu dir geeilt.«
Sie strahlte Barbara dankheischend an. Doch die schaute skeptisch und schien nicht sonderlich überzeugt.
»Aber einen Versuch ist es allemal wert, Barbara. Schlechter kann es Albert danach doch gar nicht gehen.«
»Dein Wort in Gottes Ohr, Gabriele … Doch vielleicht hast du Recht. Wann soll der Mann hier in Heiligenstadt eintreffen?«
»Du wirst es nicht glauben, meine Liebe, aber Ewald rechnet in der nächsten Stunde mit ihm.«
Seit Albert Jacobi krank in seinem Bett lag, hatte Otto fast seine gesamte freie Zeit im Ratsweinkeller verbracht. Er konnte weder das Jammern des Schwiegervaters noch das Klingeln des Glöckchens ertragen. Doch in den kommenden Wochen würde er es aushalten müssen, denn die Wallfahrten hatten begonnen, und in der Werkstatt musste Tag und Nacht gebrannt werden, um die Krüge mit den christlichen Motiven und Psalmen rechtzeitig fertig zu stellen. Mit der Frau, die äußerst geschickt im Aufmalen dieser Motive war, hatte er heute bereits zwei neue besprochen und wollte sich in der nächsten Stunde das Ergebnis ansehen. Er bestellte ein letztes Bier.
Andererseits
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