Das Hexenmal: Roman (German Edition)
und nennt mich undankbar, weil er bereits mit den Nonnen eine Abmachung getroffen und viel Geld dafür bezahlt hat, dass sie mich bei sich im Kloster aufnehmen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, und ich bitte Euch, Vater sagt mir, wie ich Buße verrichten kann«, flüsterte Anna weinend.
Burghard tat, als überlege er, doch er hatte mit Friedrich zuvor genau abgesprochen, was er sagen würde.
»Besucht die Wallfahrt auf dem Hülfensberg. Pilgere singend
und betend den Weg empor bis zum Kreuz, an dem unser Heiland auf dich herniederblickt. Bis dahin darfst du dich nur von klarem Wasser ernähren. Unser Herr Jesu Christ wird dir die Augen öffnen und dir sagen, was du zu tun hast. Das soll deine Buße sein, meine Tochter. Erst dann kann ich dir die Absolution erteilen.«
Dankbar verabschiedete sich die junge Frau und ließ einen zerknirschten Mönch zurück, der nun selbst im Stillen seinen Schöpfer um Vergebung für sein Handeln bat.
Kapitel 38
In den vergangenen Nächten waren Johann und Franziska ein gutes Stück vorangekommen, zumal der Mond ihnen den Weg hell erleuchtet hatte. Doch in dieser Nacht standen große dunkle Wolken am Himmel und erschwerten ihnen die Sicht.
Zeitweise gingen sie auf festen Wegen, dann über Wiesen und manchmal auch über Felder – immer ihren einzigen Orientierungspunkt vor Augen, ein helles Licht in der Ferne, das von einer Glashütte am Hang des Hülfensbergs stammte.
Als sie vor zwei Tagen einen Knecht nach dem Weg zum Hülfensberg gefragt hatten, hatte er sie auf das Feuer der Glashütte aufmerksam gemacht und gemeint, dass sie immer auf dieses Licht zugehen müssten, um auf den Wallfahrtsberg zu stoßen. Das Feuer würde Tag und Nacht brennen und ihnen wie eine Laterne den Weg weisen.
Doch je näher sie an die Bergsohle herangelangten, desto öfter wurde der helle Punkt von dichten Bäumen verdeckt oder war nur schwer auszumachen. Nach mehreren Tagen Wanderung hatten sie es geschafft – sie standen am Fuß des Hülfensbergs.
Auf dem Gipfel glaubten sie die kleine Kapelle zu erkennen, wo mehrmals im Jahr Wallfahrten stattfanden.
Aufgeregt stand Franziska am Waldesrand und schaute mit leuchtenden Augen hinauf.
Zwar gab es eine Straße, die um den Berg herumführte, doch Johann überzeugte Franziska, durch den Wald nach oben zu steigen. Da von überall her Menschen auf den Berg pilgerten, um nach jahrhundertealter Tradition dem heiligen Bonifatius zu huldigen, hatte Johann Angst, dass sie auf dem öffentlichen Weg erkannt werden könnten. Sich selbst einen Pfad nach oben zu suchen, erschien ihm sicherer. Später dann auf dem Gipfel würden sie in der Masse der vielen Pilgerer untergehen und niemandem auffallen.
Langsam senkte sich die Nacht über das Land, und die dunklen Wolken ließen kaum Sicht zu. Buchen, Fichten und Eichen standen dicht gedrängt vor ihnen. Immer wieder stolperten sie über Wurzeln und umgefallene Bäume oder rissen sich die Beine an Dornen auf, die sie in der Dunkelheit nicht erkennen konnten. Johann beschloss, zwischen dichten Tannen ein Nachtlager aufzuschlagen, da die Äste der Nadelbäume sie auch vor einem Regenguss schützen würden. Nachdem beide Laub aufgeschüttet hatten, jammerte Franziska leise: »Johann, ich habe furchtbaren Hunger. Wie gern würde ich ein Stück Fleisch essen!«
Seit ihrem Hochzeitsessen hatten sie keine warme Mahlzeit mehr zu sich genommen, und ihre Vorräte waren fast erschöpft. Außer hartem Brot und einem Stück Feldkieker fand Johann nichts mehr in dem Leinenbeutel. Als er Franziska die kargen Reste reichte, schüttelte sie sich.
»Ich kann die harte Wurst nicht mehr sehen! Seit Tagen haben wir nur die gegessen … Und das Brot ist auch schon knochentrocken.«
Mitfühlend sah Johann seine junge Frau an.
Wortlos nahm er sein kleines Messer und schnitt den Leinensack in dünne Streifen, die er zu einer langen Schnur zusammenband. Das eine Ende verknotete er zu einer Schlinge und bat Franziska: »Sei leise, und bleib ruhig unter den Bäumen sitzen. Ich bin bald zurück …«
Bevor die junge Frau etwas erwidern konnte, war er in der Dunkelheit verschwunden.
Ängstlich setzte sich Franziska auf das aufgetürmte Laub, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Leichter Wind kam auf und ließ die Bäume knarren. Links vor sich vernahm sie das Schnauben eines Wildschweins, das sich rasch entfernte, da es anscheinend die Spur der Menschen gewittert hatte. Dann hörte sie Laub rascheln. Furchtsam
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