Das Hexenmal: Roman (German Edition)
beobachtet mich. Kleinere Summen kann ich unbemerkt entnehmen, aber bei diesem Batzen … das würde sofort auffallen.«
»Da hättest du dich besser absichern sollen, als du das Testament gefälscht hast.«
»Halt’s Maul! Wenn das jemand hört, komme ich in Teufels Küche.«
Der Mann konnte seine Schadenfreude kaum verbergen. Im Grunde konnte er verlangen, was er wollte. Er hatte den Notar in der Hand, und der wusste das auch.
Als Münzbacher seinen Bierkrug geleert hatte, stand er auf und sagte: »Bei deinen Forderungen kannst du sicher mein Bier übernehmen.«
Als Münzbacher keine Antwort erhielt, drehte er sich um und drängte sich durch die ungepflegten Gestalten zum Ausgang. Er spürte das schadenfrohe Grinsen des Mannes im Rücken und hätte ihm am liebsten die Kehle zugedrückt. Er hasste es, von anderen abhängig zu sein.
Wut stieg in ihm hoch. Er musste seinem Ärger Luft machen. So steuerte er auf eines der Hurenhäuser zu, die es in der Gasse zahlreich gab. Er hatte genug Geld in der Tasche, um sich von der Hurenmutter persönlich bedienen zu lassen. Der Gedanke beflügelte ihn. Er spürte Begierde in sich aufsteigen und beschleunigte seine Schritte. Dabei übersah er die Gestalt, die sich, als er aus der Spelunke getreten war, in den Schatten einer Häusernische gepresst hatte.
Als Münzbacher in einem der Hurenhäuser verschwunden war, folgte ihm der Mann.
›Das läuft ja besser, als ich zu hoffen gewagt habe‹, dachte Milchkarl und trat über die Türschwelle des verruchten Hauses. Sogleich wurde er von Agathe, seiner Lieblingshure, begrüßt. Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie Münzbacher mit der Hurenmutter um den Preis feilschte.
Karl, von klein an ›Milchkarl‹ genannt, hatte seine Frau und seine Kinder vor vielen Monaten zu Grabe tragen müssen. Da er sich kein festes Weib mehr suchen wollte, aus Angst, sich auch von ihr verabschieden zu müssen, zog es ihn ins Hurenhaus. Im Grunde hatte er nicht das nötige Geld, um sich bei den käuflichen Frauen zu vergnügen. Doch Karl brauchte nicht viel zum Leben. Wichtiger als üppiges Essen war ihm Zuwendung. Durch Zufall hatte er Agathe kennengelernt und war nun schon seit einigen Monaten ihr Stammgast. Oft bezahlte er ihre Dienste mit Naturalien. Nur zu gern nahm Agathe mal einen Krug frische Milch oder einen Laib Käse für ihre Dienste.
Doch heute hatte Karl Bares mitgebracht. Geld, das er schon vorab für seine Dienste bekommen hatte, weil er dem jungen Arnold Informationen bringen sollte. Zuerst wollte Clemens ihm seinen Lohn zahlen, wenn Karl Wichtiges in Erfahrung gebracht hätte. Doch der hatte Clemens verständlich gemacht, dass er einen kleinen Vorschuss bräuchte, und dieser würde sich heute als berechtigt erweisen.
Unauffällig war Milchkarl dem Notar von dessen Haus bis zum Wirtshaus gefolgt. Dort hatte er versucht, von außen durch die Butzenscheiben in die Schankstube zu blicken. Doch durch das schmutzige Glas konnte er nur schemenhafte Gestalten erkennen. Deshalb war er kurz nach Münzbacher in den Schankraum getreten. Scheinbar gelangweilt hatte er sich an die Theke gestellt und diskret die beiden Männer beobachtet, die leise tuschelten. Allerdings konnte er nicht einmal erahnen, was sie
miteinander sprachen. Als Münzbacher aufgestanden war, hatte Karl eilends sein Bier bezahlt, war noch vor ihm nach draußen gegangen und hatte sich dort in der Häusernische versteckt.
Dass Münzbacher genau in dem Hurenhaus Vergnügen suchte, in dem Milchkarl aus und ein ging, vereinfachte das Auskundschaften ungemein.
Münzbacher versuchte lautstark, sich mit der Hurenmutter über den Preis zu einigen. Doch diese wollte von ihrer Preisvorstellung nicht abweichen, da bereits der nächste Kunde wartete. Schnell ergriff Karl die Situation und wechselte einige Worte mit Agathe. Zunächst zierte sie sich ein wenig, doch als sie das kühle Geldstück in ihrer Hand spürte, ging sie die Hüfte schwingend auf Münzbacher zu. Als dieser ihr ausladendes Hinterteil sah, zog er sie grob an sich und flüsterte ihr ordinäre Worte ins Ohr.
Agathe sagte ihren Preis, mit dem der Notar einverstanden war, und folgte der Frau in die kleine Kammer.
Zehn Minuten später kam Agathe wieder heraus und holte einen Krug Wein. Sie zwinkerte Karl zu, der lächelnd nickte und dann das Haus verließ. Er wusste, dass er sich auf Agathe verlassen konnte. Morgen würde er wiederkommen, damit sie ihm erzählen konnte, was Münzbacher ausgeplaudert
Weitere Kostenlose Bücher