Das Hexenrätsel
meisten Opfer zugeführt.
Jetzt war es vorbei.
Der Meister lebte nicht mehr. Er hatte sein Schwert mitgenommen. Erst jetzt wurde ihnen klar, wie wenig sie eigentlich von dieser Waffe wußten, die der Meister immer als sein Schlangenschwert bezeichnet hatte. Irgendwann, hatte er einmal gesagt, würde er es mitnehmen. Daß es auf diese Art und Weise geschehen würde, damit hatte niemand gerechnet. Die Soldaten, Söldner und Herren der Burg wußten noch nichts vom Tod des Hexenmeisters. Sie sollten es auch vorerst nicht erfahren. Es konnte sein, daß ihre Kampfmoral geschwächt wurde.
Die Adepten aber hatten die Aufgabe, den Hexenmeister aus der Burg zu schaffen. Nicht auf dem normalen Weg nein, da gab es andere. Geheimwege und auch Gänge.
Sie nickten sich zu, traten an das Bett und hoben den Körper ihres Meisters an.
Vorsichtig betteten sie ihn in die Truhe, als härten sie Angst, ihm weh zu tun.
Er paßte genau hinein, sie brauchten nicht einmal die Beine anzuwinkeln. Dann schlossen sie den Deckel und klemmten die Verschlüsse fest. Einen letzten Blick warfen sie noch auf das Bett. Auf dem Leinen entdeckten sie den Abdruck des Körpers. Eine Erinnerung, die verblassen würde.
Einer ging zur Tür, öffnete sie und schaute hinaus. Staub wallte durch den Gang. Irgendwo schien eine Kugel den Turm dennoch durchschlagen zu haben, und der Staub zog allmählich über die Stufen der Wendeltreppe nach oben.
»Wir müssen uns beeilen.«
»Dann faß mit an!«
Die beiden Adepten hoben die Truhe mit ihrem toten Meister in die Höhe. Sie verließen das Sterbezimmer und machten sich daran, die Truhe die steile Wendeltreppe hinabzutragen.
Es war nicht einfach. Sie mußten achtgeben, daß sie nicht ausrutschten. Das Eisengeländer an der einen Seite war verbogen und zeigte auch große Rostflecken, um die sie sich jedoch nicht kümmerten, auch wenn der scharfe Rost in ihre Hände schnitt.
Je tiefer sie kamen, umso größer wurde der Lärm. Sie hörten das Schreien der Verteidiger und das Gebrüll der Angreifer. Kanonendonner hallte an ihre Ohren Durch die Turmluken drang er, wobei sie das Gefühl hatten, als würden die schweren Waffen direkt neben ihnen abgefeuert werden.
Auch auf den Stufen lag der Staub. Er quoll aus den Wänden und rieselte von oben, wobei er die beiden Männer und den Sarg wie einen Schleier bedeckte. Sie schafften es.
Die dicken Mauern des Turms schützten sie, auch wenn sie hin und wieder einmal wankten.
Sie gerieten in die Verliese der Burg. Sie lagen unter dem Turm. Und genau dort existierte auch ein Geheimgang der zunächst in den Berg hinein und an der anderen Seite aus ihm herausführte. Sie ließen auch diesen Gang hinter sich, gelangten an einen Fluß, an dessen Ufer das Boot versteckt war.
Eine Totenbarke für den Meister. Sie luden den Sarg auf, nahmen die langen Ruderstangen und schafften das Boot aus dem dichten Uferschilf in die Flußmitte.
Dort wurde es von der Strömung erfaßt.
Zu rudern brauchten die beiden Adepten nicht mehr. Sie ließen sich treiben. Der Geschützdonner blieb hinter ihnen zurück und verklang allmählich.
Sie aber fuhren weiter, um den Meister zu begraben. Niemand sollte den Ort seines Grabes kennen, so hatte er es gewollt.
In Vergessenheit geriet er trotzdem nicht. Es sollten jedoch Jahrhunderte vergehen, bis man sich wieder an ihn erinnerte…
***
Sie stand mit hocherhobenem rechten Arm vor dem großen Spiegel und hielt einen Stein in der rechten Hand. Auf der glänzenden Fläche sah sie sich sehr genau, und gerade dieses Bild schockte sie zutiefst. Es war grauenhaft, häßlich. Sie wurde von ihrem eigenen Spiegelbild abgestoßen. Ein schwarz verbranntes Gesicht mit einer an altes, brüchiges Leder erinnernden Haut starrte sie an. Seltsam düster glänzten ihre Augen, und aus der ebenfalls schwarzen Stirn wuchs ihr Markenzeichen. Zwei giftgrüne Schlangen!
Sie waren nicht sehr lang, zu vergleichen mit der Länge eines halben Arms, und sie befanden sich in dauernder Bewegung. Diese Schlangen gehörten zu ihren stärksten Waffen. In der Hölle waren sie magisch aufgeladen worden. Wer von ihnen erwischt wurde und keine Gegenmagie kannte, der starb.
Dies alles wußte sie, dies nutzte sie auch aus. Dennoch war sie verzweifelt, denn sie hatte ihre ursprüngliche Schönheit verloren. Dafür hatte der Hexenstein gesorgt, und nun lief sie wie ein Monstrum durch die Welt.
Sie hatte vieles versucht, um wieder ein normales Gesicht und menschliche Haut zu
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