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Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen

Titel: Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Hipp
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aktuelle Emanzipations- und Selbstdarstellungsdrang vieler Regisseure wird sich eine Zeit lang noch weiter austoben, und dann wird es auch wieder vorbei sein damit. Denn irgendwann einmal kommt in jeder Entwicklungsphase zwischen Tradition und Neuerung der Umschlagpunkt. Es ist wie in allen Lebensbereichen: Solange eine Regie-Tradition gut und erfolgreich ist, lohnt es sich, sie aufrecht zu erhalten. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, werden andere Sachen ausprobiert.
    Genauso gibt es die Fälle, wo wir eine Tradition unverändert stehen lassen, weil sie so, wie sie ist, nicht mehr verbessert werden kann und sich über Jahrzehnte oder Jahrhunderte bewährt hat. Das ist dann das, was wir eine unantastbare Tradition nennen.
    Lebkuchen können wir beispielsweise industriell herstellen und über die richtigen Gewürze ein recht ordentliches Geschmackserlebnis erzielen. Richtige, echte Lebkuchen lassen sich aber nur in der uralten Tradition herstellen. Nach dem Originalrezept wird der Lebkuchenteig bereits im Februar angerührt und den ganzen Sommer über in Fässern gelagert, in denen er fermentiert. Dieser fermentierte Stammteig entwickelt übers Jahr einen Geschmack und eine Würze, die mit anderen Mitteln niemals zu erreichen sind.
    Beim Wein verhält es sich ähnlich. Wir können viele der Prozesse industriell optimieren, aber ohne handwerkliche Sorgfalt und den zeitaufwendigen Einsatz von Menschen wird kein erstklassiger Wein herzustellen sein. Es gibt eben gewisse traditionelle Verfahren, die industriell einfach nicht ersetzbar sind. Denken Sie nur an das mühsame Schütteln der Flaschen bei der Champagner-Herstellung, das vom Kunden honoriert wird.
    Oder nehmen Sie ein ganz einfaches Beispiel: Sie können heute in jedem Baumarkt zu vertretbaren Preisen die tollsten Geräte kaufen, darunter viele, die noch vor einem Jahrzehnt nur für Handwerksbetriebe einer gewissen Größe erschwinglich waren. Aber was machen Sie, wenn Sie einen Nagel in die Wandschlagen wollen? Sie werden nach wie vor zum Hammer greifen. Wohl gibt es Hunderte spezielle Formen, dazu ständige Verbesserungen beim Material. Aber die Grundform des Werkzeugs ist seit Tausenden von Jahren unverändert.
    In unserer Zeit, die ungeheuere technische Möglichkeiten bietet, ist schon seit Längerem zu beobachten, dass die Menschen gerade die traditionellen Dinge wieder besonders schätzen. Ganze Branchen leben davon, Dinge wieder auf traditionelle Weise herzustellen, und die Menschen sind dazu bereit, die wesentlich höheren Preise dafür auch zu bezahlen. Weil sie den Wert der Tradition, der alten Techniken und der Handarbeit erkennen und wertschätzen. Seien es Koffer oder Uhren, Küchengeräte, Textilien oder eben auch Lebensmittel. Der Aufstieg der Bio-Branche wäre anders nicht zu erklären. Ebenso wenig die Erfolgsgeschichte einer Einzelhandelskette wie Manufactum , die gezielt auf die Suche nach den letzten verbliebenen Handwerksbetrieben und Manufakturen geht und ihnen zu neuer Kundschaft verhilft. Die Handarbeit und das alte Handwerk feiern – trotz des Kultes von Billigwaren und Ramschpreisen – eine beachtliche Renaissance.
    Freilich sind es nur gewisse Bereiche, wo wir Traditionen gerne unberührt lassen oder in ihrer alten Form wieder erstehen lassen. Wir wollen zum Beispiel sicher nicht zum Zahnarzt gehen und dort mit Mitteln wie vor hundert Jahren behandelt werden. In diesem Bereich schätzen wir durchaus den Laserbohrer und die Implantat-Technik. Ohne Zögern befürworten wir den neuesten Stand der Technik und alles, was hilft, möglichst schonend und schmerzfrei über die Runden zu kommen. Und ebenso macht es zwar Spaß, gelegentlich in einem Oldtimer zu sitzen. Aber auf Dauer fahren wir doch lieber ein Auto mit Airbag, Stoßdämpfern und einem Navigationssystem, das auf dem neuesten Stand der Technik ist.
Umgangsformen und Höflichkeit
    Zu den tradierten Werten, die bleiben, auch wenn wir sie immer wieder an die jeweilige Gegenwart anzupassen haben, gehören auch und vor allem unsere Umgangsformen. Also die Art und Weise, wie wir mit unseren Mitmenschen und mit den Dingen des Alltags umgehen. Umgangsformen sind keineswegs leere Rituale, denn sie befördern oder behindern das zwischenmenschliche Miteinander, sie drücken Achtung und Respekt aus und demonstrieren Verbindlichkeiten. Davon erzählt uns unter anderem die Bibel: Schon zu Zeiten Jesu galt es als ungehörig, einer Einladung zu einem Fest unentschuldigt, also ohne triftigen Grund

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