Das Hipp-Prinzip - wie wir können, was wir wollen
Weiterentwicklung oder einer verbesserten Kenntnis der Rohstoffe gar nicht mehr nötig sind.
Die für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Unternehmens wichtigen Schritte hingegen sind häufig nicht einmal so grundlegend wie solche Veränderungen der Produktionsabläufe. Ein Unternehmen kann beispielsweise auch mit der Tradition brechen, dass eine Mitarbeitersitzung stets eine Stunde dauern muss. Weil es schon immer so war. Die Verantwortlichen beschließen dann einfach, dass die erforderlichen Abstimmungen auch in einer kürzeren Zeit zu schaffen sind. Oder ein Unternehmen beendet bewusst eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit einem Berater, um neue Ideen ins Unternehmen hereinzubekommen. Es kann auch vorkommen, dass ein Unternehmer jahrelang mit einer Agentur zusammengearbeitet hat, die im Marketing eine Image-Tradition aufgebaut hat, die irgendwann einfach nicht mehr funktioniert. Wenn der Unternehmerdann merkt, dass sich die Zahlen nicht mehr gut entwickeln, muss er – nach gründlicher Analyse natürlich und der Erkenntnis, dass das Marketing einer Richtungsänderung bedarf – die Zusammenarbeit beenden. Denn das Image des Produkts wird offenbar als veraltet wahrgenommen. Und damit leider auch das Image der Firma, weil das altbackene Image des Produkts auf sie zurückwirkt. Wir alle wissen es: Nichts ist so schnelllebig wie die Werbung. So entsteht immer wieder die Notwendigkeit, neue Ideen umzusetzen. Werbeauftritte, die vor 50 Jahren die Menschen begeistert haben, funktionieren heute nicht mehr. Daher ist es im Marketing geradezu brennend notwendig, sich immer wieder zu verändern und mit Traditionen gelegentlich auch zu brechen.
Es gibt unzählige andere Beispiele für Traditionsbrüche und die Reibungen, die sie verursachen. Wenn zum Beispiel in der Kirche etwas am Ritus geändert wird oder bekannte Melodien in der Kirchenmusik wegfallen und dafür Synkopen oder Rhythmen eingesetzt werden, die von der Gemeinde nicht gut beherrscht werden, dann empfinden das viele Menschen als einen starken Bruch und sagen: „Schade, dass es nicht mehr so ist wie früher.“ Im Bewusstsein derer, die ihr Gefühl so oder ähnlich äußern, geht durch diese Veränderung für immer etwas Wertvolles verloren. Gerade in der Kirche umfasst Tradition in besonderem Maße auch Geborgenheit.
Ein anderes Beispiel aus der Welt der leiblichen Genüsse: Ein Gast liebt ein bestimmtes Restaurant ganz besonders, weil es eine wunderbare alte Einrichtung besitzt, in der er sich seit langem sehr wohl fühlt. In diesem Lokal wird selbstverständlich auch traditionell gekocht und es schmeckt immer so wie früher und immer wie erwartet. Dann aber erkennt der Inhaber plötzlich: „Mir bleiben die jungen Leute weg, ich muss etwas ändern“. Er reißt die alte Einrichtung heraus, schreibt eine neue Speisekarte und entwickelt überhaupt ein ganz anderes Konzept. Diese grundsätzliche Veränderung und Neuausrichtung wird später als Grundstein einer neuen Tradition wahrgenommen werden, denn diejenigen, die sich nun in der renoviertenUmgebung wohlfühlen, werden wiederum an dieser rasch wie an einer alten Tradition hängen. Aber zunächst einmal ist die Neuorientierung ein deutlich wahrnehmbarer Bruch. Und das heißt leider auch, dass der Wirt mit ziemlicher Sicherheit einige seiner alten Stammgäste verlieren wird.
Nur so entstehen aber jederzeit neue Traditionen für die kommenden Generationen. Das können wir auch an vielen ganz alltäglichen Beispielen beobachten. Wir sind als Studenten zum Beispiel gerne in ein paar kleine Lokale im Münchener Szene-Stadtteil Schwabing gegangen, die damals aber noch gar nicht als besonders modern galten und nicht teuer waren. Die fanden wir einfach gut und waren treue Gäste. Wenn ich heute eines dieser Lokale betrete, kann ich mir sicher sein, dass es mir dank mancher Erinnerung warm ums Herz wird. Anderen wird das Lokal gar nichts bedeuten und nur eines von vielen Schwabinger Restaurants sein. Jeder hat seine ureigenen Erinnerungsorte und Traditionen.
Einschreibung und Emanzipation
Ebenso wenig, wie die Tradition nur um ihrer selbst wegen gewahrt werden sollte, steht auch das Prinzip der Veränderung im Spannungsverhältnis von Notwendigkeit und sinnloser Missachtung der Tradition. Denn wer die Dinge nur um der Veränderung willen verändert handelt schnell orientierungslos und begibt sich auf einen höchst brüchigen Holzweg. Um Dinge wirklich neu denken zu können, müssen wir die Traditionen kennen,
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