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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wenn ein Teil des Materials, das mit Finnland zu tun hatte, in Helsinki an die Öffentlichkeit geriete, käme es auf |35| jeden Fall zu einem Skandal – ganz gleich, ob sich das Material als echt erwies oder nicht.
    Das Taxi fuhr über die Mannerheimintie zum Hauptquartier der Sicherheitspolizei in der Ratakatu. Timo dachte wieder an den
     Hauskauf. Er selbst hatte immer gesagt, in Brüssel lohne es sich, zur Miete zu wohnen, weil die Provisionen und Gebühren bei
     Immobiliengeschäften so hoch waren: bis zu fünfzehn Prozent. Insofern hatte er eine irrationale Entscheidung getroffen, das
     wusste er. Aber wann war das Leben schon rational? Wann sollte er denn ein Haus kaufen, wenn nicht jetzt, auf der Höhe seiner
     beruflichen Laufbahn und im besten Alter? Im nächsten Leben etwa? Aaro war auch schon vierzehn und würde in wenigen Jahren
     ausziehen.
    Das Taxi hielt vor dem Haupteingang der SiPo an, und Timo zahlte. Es war 11.40   Uhr. Die Spannung stieg. Pauli Rautio war nicht nur der Chef der SiPo, sondern auch politisch aktiv. Und aus Politik machte
     sich Timo nichts. Ihn interessierte allein die Wahrheit. Für ihn war die Wahrheit eine absolute Größe, für Rautio eine relative.
    In dem hermetischen, düsteren Gebäude meldete sich Timo beim Pförtner an und ging die Treppe in den zweiten Stock zum Büro
     des Chefs hinauf.
    Rautio gab ihm die Hand. Der aufrechte, bärenhafte Mann, der früher Timos Vorgesetzter gewesen war, trug einen grauen Anzug
     und einen altmodischen Schlips. Er versuchte erst gar nicht, seine Neugier zu verbergen. »Was katapultiert dich denn hierher?«
    Timo setzte sich und erzählte kurz, was in Paris geschehen war. Noch während er sprach, wartete er auf irgendeine Reaktion
     von Rautio, aber die kam nicht. Ihm fiel auf, dass der einzige persönliche Gegenstand in dem Raum eine Stresskugel aus Holz
     war, vermutlich aus den siebziger Jahren. Schließlich zog er das Blatt Papier aus der Tasche und reichte es Rautio.
    »Das ist aus dem Gedächtnis notiert. Ihr bekommt eine Kopie des Originals, wenn ihr bei der TERA einen offziellen Übergabeantrag |36| stellt. Zuerst muss aber das Material verifiziert werden.«
    Rautio setzte seine goldfarbene Lesebrille auf und las. Timo kannte den Text auswendig.
    »Sperling hat sich als Generalsekretärin ihrer Partei – unserer Bitte entsprechend – deutlich gegen die Integration Finnlands
     in den westlichen Wirtschaftsraum ausgesprochen. Kommt am 16.4. nach Moskau. Bringt zu dem Thema eine Kopie des Protokolls
     der entsprechenden Sitzung des Parteivorstands mit.«
    Es gab nur eine Person, die »Sperling« sein konnte: Präsidentin Kirsti Heino. Sie war 1989   Generalsekretärin ihrer Partei gewesen.
     
    Timo glaubte kurz, die Ader an Rautios Schläfe pulsieren zu sehen, aber das musste Einbildung gewesen sein. Eine Hydraulikpumpe
     lief ohne Puls, und das Fließen der Flüssigkeit in einer Vinylröhre konnte man auch nicht erkennen. Rautio war ein Roboter,
     und genau darum hatte man ihn für seinen Posten ausgewählt. Ein politischer Roboter, der exakt die Befehle seiner Programmierer
     befolgte.
    »Du wirst verstehen, dass wir darüber nicht einmal innerhalb des Hauses reden?«, fragte er leise und steckte das Blatt Papier
     zusammengefaltet ein.
    »Gib es mir zurück. Ich werde wohl kaum meine eigenen Notizen als geheimes Material in Umlauf bringen.«
    Rautio sah Timo ruhig in die Augen. »Dein Zettel ist Müll«, konstatierte er. »Aber die Sache ist ernst, darum müssen wir ihr
     nachgehen. Und ich kann keine Ermittlungen einleiten, ohne etwas Konkretes in der Hand zu haben. Und wenn es dein Blatt ist.«
    »Ich warte auf die Verifizierung des Originals. Ich teile dir umgehend mit, wenn sie erfolgt ist. Aber ihr könnt von hier
     aus schon gewisse Überprüfungen vornehmen.«
    Rautio stand auf. »Ich sagte bereits, dass ich mich darum kümmere.«
    |37| Timo blieb sitzen und begann sich zu ärgern. »Gib mir das Blatt zurück. Ich habe es nicht einmal offiziell hergebracht.«
    »Umso leichter für dich, es nicht wieder mitzunehmen.« Rautio ließ keinen Zweifel daran, dass die Sache für ihn beendet war.
    »Ich muss los.« Rot vor Wut sprang Timo auf. »Mach dir eine Kopie für den Safe, wenn du willst. Ich lasse dir nicht   ...«
    »Wie lange bist du in Finnland?«
    »Bis morgen Abend.«
    »Komm morgen früh. Um neun.«
    Während er sprach, öffnete Rautio die Tür und wartete, dass Timo vor ihm den Raum verließ.
    Der schaute

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