Das Hiroshima-Tor
...«
»Ihr bekommt, was ihr braucht.« Irons fixierte Novak durch den Rauch hindurch mit stahlhartem Blick. »Wenn für die Suche nach
dem bedeutsamsten Objekt in der Geschichte der Menschheit keine Ressourcen zur Verfügung stehen, wofür dann?«, sagte er leise.
|43| 5
Im Konferenzraum der Sicherheitspolizei in der Ratakatu in Helsinki war die Anspannung mit Händen zu greifen. Draußen war
der Himmel schwarz, und Regentropfen klatschten ans Fenster.
»Zwei Eimer Zucker haben genügt, um die Ladung eines Betonfahrzeugs unbrauchbar zu machen. Das Zeug wurde in Sektor vier in
die Verschalungen gepumpt«, sagte der für die Ermittlung zuständige Mann von der KRP, wobei er mit dem Teleskopkartenstock
auf eine große Grundrisszeichnung an der Wand zeigte.
»Die Qualitätskontrolle an der Mischanlage ist auf das Maximum erhöht worden, und wir gehen gerade mit den Zulieferern so
genau wie möglich alle Angestellten und ihr Umfeld durch«, berichtete der Vertreter des Kraftwerkbetreibers
TVO
. »Wir können nicht von der SiPo ein Gutachten über jeden einzelnen Arbeiter anfordern. Die Bewachung des Geländes ist mit
der Sicherheitsfirma zusammen neu organisiert worden.«
»Das gilt sicherlich auch für die anderen Meiler in Olkiluoto, für den Reaktor in Loviisa und für die Zwischenlager?«, fragte
Timo.
Keine Antwort.
»Gibt es etwas, das euch Grund zu der Annahme gibt, dass sich die konkrete Bedrohung ausschließlich auf das im Bau befindliche
Projekt richtet?«, fuhr Timo ruhig fort.
Der
TVO-
Vertreter warf einen kurzen Blick auf den Abteilungsleiter des Strahlenschutzzentrums, der daraufhin das Wort ergriff. »Timo
hat in letzter Zeit viele Impulse aus der großen weiten Welt aufgesaugt.«
|44| Die Mienen rund um den Tisch schmolzen zu einem befreienden Lächeln – außer bei Timo. Durch die Müdigkeit und Rautios Verhalten
hatte sich in ihm ein Druck angestaut, den er nur mit Mühe und Not unter Kontrolle hielt. »Obwohl es lediglich um Zucker am
falschen Ort geht, so weist doch alles darauf hin, dass es hier jemand ernst meint. Und das bedeutet, dass auch wir guten
Grund haben, die Sache ernst zu nehmen. Vielleicht sogar die zuständige Aufsichtsbehörde.«
Timo richtete einen bohrenden Blick auf den Vertreter der Strahlenschutzbehörde.
»Wir dürfen trotzdem zufrieden sein, dass sie nur Zucker genommen haben und nicht Trotyl«, brummte Välimäki von der SiPo.
Der finnische Repräsentant des deutsch-französischen Bauunternehmers
Framatom
, ein promovierter Ingenieur mit strenger Miene, richtete einen eisigen Blick auf ihn und machte zum ersten Mal den Mund auf.
»Wesentlich ist nicht, welche Substanz sie verwenden, sondern welchen Schaden sie anrichten. Die schadhafte Masse muss entfernt
und alle anderen Sektoren müssen überprüft werden. Hier ist an den Fundamenten herumgepfuscht worden, und auf denen ruht alles
andere. Man darf kein Risiko eingehen. Und das wissen diese Leute. Es ist absolut inakzeptabel, dass es Saboteuren von außen
gelingt, die Abläufe auf einer AK W-Baustelle zu manipulieren ...«
»Trotzdem sollte man keine übereilten Schlussfolgerungen ziehen«, sagte der
TVO-
Sicherheitschef. »Denn genau das wollen sie. Sie versuchen uns Angst zu machen. Sie wollen, dass wir reagieren. Dass die Medien
wild werden. Und die Öffentlichkeit aufschreit.«
Der hoch aufgeschossene, ruhige Mann sprach unaufgeregt, aber mit Nachdruck. »Je zurückhaltender wir nach außen hin reagieren,
umso enttäuschter sind sie.«
»Und umso plakativer wird ihr nächster Schlag ausfallen«, erwiderte Timo ebenso ruhig. »Mit dem Fortschreiten der Baumaßnahmen
steigt die Zahl ihrer Möglichkeiten. Bald sind bei |45| dem Projekt Tausende Männer von zig Firmen involviert, ein Teil davon aus dem Ausland.«
Der Vertreter von
Framatom
nickte. Timo spürte, dass der Mann als Einziger auf seiner Wellenlänge war.
»Man darf nicht vergessen, dass es für den Anti-Atomkraft-Aktivismus nur in begrenztem Maße Ventile gibt«, fuhr Timo fort.
»In keinem anderen westlichen Land werden neue Reaktoren gebaut. Unter Umständen werden mehrere Gruppierungen versuchen, hier
ihre Krallen zu zeigen, darauf müssen wir uns einstellen. Das alles habe ich aus meiner Warte bereits vor langer Zeit im ANA K-Bericht festgehalten.«
Timo ahnte den Missmut der anderen Anwesenden bezüglich seiner Analyse, dabei konnte keiner abstreiten, dass sie begründet
war. Er hatte so etwas
Weitere Kostenlose Bücher