Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
nicht angeschrien hat) und auch von seiner schlechtesten (seine sture Weigerung, nach dem Weg zu fragen, bis ganz rauf nach Norfolk, als das Navi kaputt war. Wir brauchten sechs Stunden). Und trotzdem wollte ich bei ihm bleiben. Ich verstand ihn. Er ist kein Aufschneider, mein Richard. Er ist bedächtig und gewissenhaft. Manchmal denkt man, er hört einem gar nicht zu – aber dann wird er plötzlich ganz lebendig, und man merkt, dass er die ganze Zeit hellwach war. Wie ein Löwe, der unter einem Baum döst, aber jederzeit zum Töten bereit ist. Wohingegen ich eher so etwas wie eine herumhüpfende Gazelle bin. Wir ergänzen einander. Wie in der Natur.
(Natürlich nicht im Sinne der Nahrungskette. Eher im übertragenen Sinn.)
Ich wusste also nach einem Jahr, dass er der Richtige war. Aber ich wusste auch, was passieren würde, wenn ich es falsch anginge. Meiner Erfahrung nach wirkt das Wort »Hochzeit« wie ein Enzym. In einer Liebesbeziehung ruft es allerlei Reaktionen hervor, meist destruktiver Art.
Man muss sich nur ansehen, was mit Jamie, meinem ersten langjährigen Freund passiert ist. Vier Jahre lang waren wir ein glückliches Paar, als ich rein zufällig erwähnte, dass meine Eltern bei ihrer Hochzeit genauso alt waren wie wir damals (sechsundzwanzig und dreiundzwanzig). Das war’s dann. Eine kleine Bemerkung. Woraufhin er ausgeflippt ist und meinte, wir bräuchten eine »Pause«. Eine Pause wovon? Bis zu diesem Augenblick war alles gut gewesen. Was wir offensichtlich brauchten, war eine Pause vom Risiko, das Wort »Hochzeit« noch einmal hören zu müssen. Offenbar bereitete ihm diese Vorstellung so große Sorgen, dass er es nicht mehr ertragen konnte, mich wiederzusehen, aus Angst, irgendwann noch mal dieses Wort aus meinem Mund zu hören.
Bevor wir die »Pause« hinter uns hatten, war er mit dieser Rothaarigen zusammen. Es machte mir nichts aus, denn inzwischen hatte ich Seamus kennengelernt. Seamus mit seinem irischen Singsang, den ich so sexy fand. Keine Ahnung, wieso es mit ihm schiefging. Ungefähr ein Jahr lang waren wir ineinander vernarrt – wilder Sex, die ganze Nacht –, bis wir auf einmal jede Nacht stritten. Von einem Tag auf den anderen war es nicht mehr aufregend, sondern aufreibend. Es hat alles vergiftet. Zu viele Grundsatzdiskussionen und Fragen wie »Was soll mal aus uns werden?« und »Was wollen wir von dieser Beziehung?« Es laugte uns aus. Wir schleppten uns noch ein Jahr lang weiter, und wenn ich so zurückblicke, scheint mir dieses zweite Jahr ein großes, schwarzes Loch in meinem Leben zu sein.
Dann kam Julian. Auch das dauerte zwei Jahre, aber es führte zu nichts. Es war wie das Gerippe einer Beziehung. Ich schätze, wir haben wohl beide zu viel gearbeitet. Ich war gerade bei Blay Pharmaceuticals eingestiegen und reiste im ganzen Land herum. Er versuchte, Partner in seiner Steuerkanzlei zu werden. Ich bin mir gar nicht sicher, ob wir uns eigentlich richtig getrennt haben – irgendwie sind wir auseinandergedriftet. Hin und wieder treffen wir uns noch als Freunde, und es geht ihm genau wie mir – wir können gar nicht sagen, woran wir letztendlich gescheitert sind. Er wollte sogar mal richtig mit mir ausgehen, vor einem Jahr etwa, aber ich musste ihm sagen, dass ich inzwischen einen anderen hatte, mit dem ich sehr glücklich war. Und das war Richard. Der Mann, den ich wirklich liebe. Der Mann, der mir gegenübersitzt, mit einem Ring in der Tasche (möglicherweise).
Richard sieht definitiv besser aus als alle anderen Freunde, die ich je hatte. (Vielleicht bin ich ja voreingenommen, aber ich finde ihn hinreißend.) Er arbeitet als Datenanalytiker und ist ziemlich ehrgeizig, aber nicht besessen von seinem Job. Er ist nicht so reich wie Julian, aber wen interessiert das schon? Er ist tatkräftig und lustig, und sein ansteckendes Lachen heitert mich immer wieder auf. Er nennt mich »Daisy«, seit ich ihm beim Picknick mal einen Kranz aus Gänseblümchen geflochten habe. Manchmal verliert er die Geduld, was okay ist. Niemand ist perfekt. Wenn ich auf unsere Beziehung zurückblicke, sehe ich kein schwarzes Loch wie bei Seamus und auch keine Leere wie bei Julian. Ich sehe ein schnulziges Musikvideo. Eine Collage, mit blauem Himmel und strahlendem Lächeln. Glückliche Zeiten. Geborgenheit. Lachen.
Und nun kommen wir zum Höhepunkt dieser Collage. Dem Teil, bei dem er niederkniet, tief Luft holt …
Ich fiebere mit ihm. Ich möchte, dass alles gut läuft. Ich möchte unseren
Weitere Kostenlose Bücher