Das Höllenbild
Mauern. Und die Lichter an der Decke.
Es roch nach Putzmitteln und trotzdem nach Staub. Vielleicht bin ich auch nur zu empfindlich und angespannt, dachte Suko, den dieser Geruch allmählich störte.
Dann sahen sie die Tür, als sie den schmalen Gang betreten hatten.
Arlene mußte einfach sprechen. »Gleich«, flüsterte sie, »gleich wird dir die große Erkenntnis kommen.«
»Und welche?«
»Daß du verloren hast. Daß du einfach zu klein bist. Ein Bulle ist immer zu klein.«
Suko ließ sich nicht beirren. Er blieb vor der Tür stehen. Mit einer Hand hielt er die Mörderin fest, mit der anderen öffnete er die Tür. Er schob Arlene über die Schwelle, die in den Raum mit dem Gemälde hineinstolperte.
Alles sah noch so aus wie beim ersten Versuch. Es hatte sich nichts verändert. Auch die beiden Strahler schickten das Licht noch gegen das Felsenbild.
Arlene Shannon wartete auf Suko. Sie stand auf halber Strecke zwischen Tür und Bild. Sie hatte sich nach links gedreht, um Suko anschauen zu können.
»Na, wo ist denn dein Freund? Warum meldet er sich nicht? Willst du ihn nicht rufen?«
Suko schloß die Tür. Er hatte bereits gesehen, daß der Platz vor dem Bild leer war, an dem eigentlich hätte sein Freund John Sinclair stehen müssen.
Der Inspektor bewegte sich nicht so schnell wie zuvor die Terroristin. Er hörte seinen eigenen Herzschlag viel lauter als gewöhnlich, und das Kichern der Mörderin störte ihn.
»Halt den Mund!«
Sie war tatsächlich ruhig. Arlene blieb es auch, sie beobachtete Suko nur.
Er bewegte sich nicht mehr locker. Die innere Spannung war auch ihm anzumerken. Er suchte seinen Freund und Kollegen. Dabei wollte er sich auch nicht eingestehen, daß John den Saal verlassen hatte. Nach ihm zu rufen, ergab auch keinen Sinn. In diesem Ausstellungssaal gab es keine Verstecke.
»Weg«, sagte Arlene Shannon und lachte dabei. »Was habe ich dir gesagt? Er geht seinen eigenen Weg. Ob freiwillig oder nicht, das will ich mal dahingestellt sein lassen, aber er geht ihn, und allein das ist wichtig. Allerdings hast du einen Fehler begangen, Bulle. Du solltest dir das Bild genauer anschauen. Es ist sicherlich besser. Das Bild ist alles, der Anfang und das Ende.«
»Ich wußte gar nicht, daß Mörderinnen auch philosophisch sein können«, erklärte Suko.
»Du weißt vieles nicht. Auch ich habe einen Background. Das solltest du nicht vergessen.«
»Ja, mal sehen.« Suko maß sie mit einem raschen Blick. Er war zufrieden, denn ihre Arme befanden sich nach wie vor gefesselt auf dem Rücken. Sie war zum Zuschauen verdammt, aber er durfte sie trotzdem nicht unterschätzen.
Sie hatte ihn an das Gemälde erinnert. Suko hatte es beim Eintreten nur mit einem sehr knappen Blick gestreift und nicht auf Einzelheiten achten können.
Das änderte sich, als er in einer für ihn idealen Sichtentfernung stehenblieb.
Zuerst glaubte Suko an einen Irrtum. Es war keiner, wie auch das Kichern der Terroristin, die sich an Sukos Überraschung weidete.
Es sah nicht mehr so aus, wie er es kennengelernt hatte. Es war anders geworden, denn eine weitere Person hatte das Gemälde auf eine unheimliche Art und Weise verlassen.
Es gab die Frau nicht mehr.
Wo der Betrachter sonst ihr Gesicht gesehen hatte, war nur mehr der Hintergrund zu erkennen. Die Frau selbst schien sich aufgelöst zu haben, oder sie war wegradiert worden. »Ja«, sagte Arlene, »da siehst du es. Sie ist weg. Sie ist einen unheimlichen Weg gegangen, und du wirst sie auch nicht mehr zurückholen können. Sie ist weg. Ebenso wie dein Freund. Soll ich dir sagen, wo er steckt, Bulle?«
»Das ist wohl nicht nötig«, erklärte Suko. »Schade. Ich hätte…«
»Es interessiert mich überhaupt nicht, was du getan hättest oder was nicht. Aber ich verspreche dir eines: Ich werde es herausfinden, und wenn es sein muß, mit der Hilfe meines Freundes, den du nicht kennst und deshalb unterschätzt hast.«
»Oh…«, spottete sie. »Wie toll du dahergeredet hast. Ich bin beeindruckt.«
»Das kannst du auch sein.«
»Dann gibst du deinem Freund noch eine Chance?« Suko hörte die Frage, als er das Bild abschritt. »Natürlich gebe ich ihm die.«
»Soll ich dagegen wetten?«
Es interessierte Suko nicht mehr, dieser Person eine Antwort zu geben.
Er war etwa in der Mitte vor dem Gemälde stehengeblieben, denn die Bewegung auf der Fläche hatte ihn irritiert.
Sie war von dem Götterboten ausgegangen. Ein Zucken seines gesamten Körpers, so daß Suko schon
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