Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
Rufe und immer wieder das Rennen von schweren Stiefeln.
»Lass uns versuchen, ein Bett zu finden für das, was von der Nacht noch übrig ist. Soll doch jemand anderes sich um diese verdammte Schweinerei hier kümmern.«
»Ich könnte einen Drink gebrauchen«, sagte Jago und stand auf. »Meine Kehle ist so trocken wie die Sahara. Komm, suchen wir uns einen Pub.«
Lasseur stand etwas abseits und sah auf das Meer hinaus. Sein Gesicht war so finster wie das Wasser.
Hawkwood stand auf. »Sieht aus, als ob du bekommen hast, was du wolltest.«
Lasseur sah auf die Reihe der Toten. »So nicht.«
»Aber dein Kaiser bekommt sein Gold.«
Lasseur schüttelte den Kopf, aber er sagte nichts. Er sah sehr nachdenklich aus. Dann sagte er: »Sie könnten immer noch gefasst werden.«
»Was?«, sagte Hawkwood, der nicht richtig zugehört hatte.
»Ich sagte, man könnte sie immer noch fassen.«
Hawkwood lachte. Er konnte nicht anders. »Ich glaube nicht, Captain. Jetzt ist es Sache der Navy, und die braucht ja schon die halbe Nacht, nur um ihre verdammte Hose anzuziehen. Der Bastard ist schon lange weg. Außerdem weiß man nicht, welchen Hafen sie ansteuern.«
»Ich schon«, sagte Lasseur. »Ich weiß genau, wo die hinfahren. Wir könnten sie immer noch einholen.«
»Es ist zu spät, verdammt nochmal. Die sind über den Kanal, ehe hier jemand Segel setzen kann.«
»Nicht unbedingt«, sagte Lasseur. »Nicht, wenn der Wind so bleibt wie jetzt.«
Hawkwood sah ihn fest an. »Wen meinst du mit ›wir‹?
Langsam drehte Lasseur den Kopf und sah ihn an. »Ich meine mein Schiff, die Scorpion .«
»Dein Schiff?«, sagte Hawkwood. »Was zum Teufel hat dein Schiff damit zu tun?«
Lasseur lächelte nur.
22
Mit Hawkwoods Ermächtigung gelang es ihnen, die Stadt durch das Zolltor, das vom Militär bewacht wurde, zu verlassen; dann ritten sie südlich die Straße nach Walmer entlang.
Die Pferde waren müde, und obwohl sie sich etwas ausgeruht hatten, wusste Hawkwood, dass man ihnen nicht mehr viel zumuten durfte. Deshalb war er erleichtert, als Lasseur nach etwa zwei Meilen nach Osten abbog und den Weg zum Meer einschlug. Auf einem Wegweiser, der windschief aus der Hecke ragte, stand Kingsdown .
Sie ritten im Schritt durch das schlafende Dorf bis zum Strand am Fuße eines hohen grauen Felsens. Dahinter sah Hawkwood den unregelmäßigen Umriss eines noch höheren Felsens und dahinter einen weiteren, und er wusste, das war der Anfang der Kette weißer Klippen, die sich an der Küste entlang bis nach Dover hinzog.
Ungefähr dreihundert Yards vom Ufer konnte man mit etwas Mühe den Umriss eines dunklen Dreimasters ausmachen, der hier vor Anker lag. Weder auf Deck noch im Schiffsrumpf waren Lichter zu sehen. Wenn sie nicht gewusst hätten, dass das Schiff hier liegen musste, dann hätten sie lange gebraucht, bis sie es bemerkt hätten.
»Ich brauche eine Pistole«, sagte Lasseur.
Jago griff in seine Satteltasche. »Sie ist geladen«, warnte er.
Lasseur holte tief Luft, hielt die Pistole hoch und drückte ab. Das Pulver blitzte auf und der Knall hallte von den Klippen wider. Micah beruhigte die Pferde. Lasseur gab Jago die Pistole zurück, der sie in seinen Gürtel steckte.
Das Wasser sah dunkel und kalt und tief aus. Hawkwood dachte an die Nacht, in der sie Warden im Boot verlassen hatten. Weit draußen im Kanal, hinter dem dunklen Schiff, sah er die Lichter zweier weiterer Schiffe, und er fragte sich, ob eines davon wohl Morgans Sea Witch war.
Tom Gadd hatte für den Privateer Botendienste geleistet. Gleich am ersten Tag, als sie wieder auf der Farm waren und Jess Flynn sich um den fiebernden Hawkwood gekümmert hatte, war Gadd für ihn zu dem Agenten in Ramsgate gefahren. Es war derselbe Mann, den Lasseur zu erreichen versuchte, als er seinen ersten Fluchtversuch machte, noch ehe er ins Gefängnis von Maidstone gekommen war.
Der Agent hatte die Nachricht per Brieftaube an Lasseurs Besatzung in Dünkirchen weitergeschickt, und darin stand, dass ihr Kapitän frei war und auf sie wartete. Sie sollten mit der Scorpion an die Küste von Kent kommen und dort vor Kingsdown jeweils zwei Stunden vor bis zwei Stunden nach Mitternacht vor Anker gehen. Dies sollten sie nach Erhalt der Nachricht fünf Nächte lang machen und auf Lasseurs Signal warten.
»Es kommt darauf an«, hatte Lasseur gesagt, »ob meine Leute die Nachricht rechtzeitig bekommen haben.«
Es sah ganz danach aus.
Hawkwood sah zum Schiff hinüber. Ein kleines Boot
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