Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
Kojen.
»Weil ich verdammt sein will, wenn ich Morgan das durchgehen lasse. Dies ist meine einzige Chance, ihn noch zu kriegen.«
»Umgebracht zu werden, meinst du wohl! Morgan ist weg. Kannst du dir nicht einfach eingestehen, dass er dir entwischt ist? Man kann doch nicht immer gewinnen.«
»Ich habe ihn aber noch nicht verloren«, sagte Hawkwood.
»Nein, ganz recht, und darum segeln wir jetzt mit’nem Froschfresser von einem Privateer nach Frankreich. Könntest du nicht einfach das kleinere Übel wählen, nämlich den Musjöh an die Obrigkeit ausliefern und dann mit Micah und mir zurück nach London reisen?«
»Ich kann ihn nicht ausliefern, Nathaniel. Denn damit würde ich ihn wieder auf die Hulks schicken. Das würde ich niemandem antun. Würdest du auch nicht, wenn du erlebt hättest, wie es dort zugeht. Er hat mir das Leben gerettet, ich stehe in seiner Schuld. Ich denke, wenn er so weit gekommen ist, sollte man ihm eine Chance geben. Und außerdem glaube ich, dass ich gar keine andere Wahl habe.«
»Du hast immer die Wahl gehabt!«
»Es ist nicht so einfach.«
»Von meinem Standpunkt aus schon«, sagte Jago kurz. »Hast du dich schon mal gefragt, warum Lasseur das hier macht? Wie ich es sehe, ist es doch in seinem Interesse, dass Morgan ungeschoren über den Kanal kommt. Der Kaiser bekommt sein Gold und Lasseur kommt nach Hause. Wir sind doch bloß verdammter Ballast hier! Du weißt doch hoffentlich, dass du das Gold nicht zurückkriegst?«
»Mir ist das Gold scheißegal! Ich will Morgan. Der Schweinehund hat zwei Navyoffiziere auf dem Gewissen, außerdem einen Zollbeamten und mindestens zwei britische Soldaten. Ganz zu schweigen von dem Ärger, den er mir bereitet hat.«
»Und die französischen Gefangenen?«
»Die überlasse ich Lasseurs Gewissen.«
»Ach, hat er eins? Was sollte ihn davon abhalten, uns den französischen Behörden auszuliefern? Vielleicht hast du einfach einen englischen Hulk gegen einen französischen eingetauscht. Wenn sie uns nicht vorher schon als Spione erschießen.«
»Das wird er nicht tun.«
»Wer sagt das?«
»Er sagte es. Er gab mir sein Wort.«
»Und du glaubst ihm?«
»Ja. Außerdem ist es nicht in seinem Interesse, mich auszuliefern.« Hawkwood lächelte. »Ich schulde ihm immer noch viertausend Francs.«
»Na, dann wird es wohl seine Richtigkeit haben. Und ich dachte schon, er ist nur von dem Gedanken an die vier Tonnen Gold angetrieben, die Boneys Schatztruhen wieder füllen werden. Wie naiv kann man sein? Aber ich sehe noch immer nicht, warum er so drauf versessen ist, Morgan abzufangen, ehe er Frankreich erreicht. Warum wartet er nicht, bis Morgan dort ist und denunziert dieses Arschloch erst dann?«
»Weil Morgan, sobald er gelandet ist, in der englischen Exklave verschwinden würde. Das sind alles seine Freunde dort. Außerdem besteht eine gute Chance, dass die Franzosen ihn schützen würden. Schließlich liefert er Bonaparte zwölf Millionen Francs, da könnte es sich doch lohnen, die Hand über ihn zu halten. Vielleicht denken sie, wenn er es einmal schafft, dann schafft er es immer wieder.«
»Er hat acht Franzosen umgebracht. Willst du mir weismachen, das würden sie ihm nicht übelnehmen?«
»Morgan kommt zuerst nach Gravelines, und seine Geschichte wird sein, dass sie beim Ausüben ihrer patriotischen Pflicht gefallen sind – wenn er sie überhaupt erwähnt. Bis Lasseur Zeit hat, seine Version zu erzählen, ist Morgan bereits Schoßhündchen beim Kaiser. Für zwölf Millionen Francs kann man sich viel erkaufen. Und außerdem gibt es keine Beweise dafür, dass er sie umgebracht hat. Wer weiß denn genau, dass sie nicht von unseren Leuten erschossen wurden? Es würde Lasseurs Wort gegen Morgans sein, und Lasseur war nicht dabei.«
»Also plant Lasseur, Morgan auf hoher See einzuholen?«
»So sieht es aus.«
»Und ihn dann selbst zur Rechenschaft zu ziehen?«
Hawkwood antwortete nicht.
»Und wir sollen ihm helfen?«, bohrte Jago weiter.
»Du hättest nicht mitzukommen brauchen«, sagte Hawkwood.
»Natürlich musste ich mitkommen! Herrgott nochmal, wenn du schon diese irrsinnigen Einfälle hast, muss doch einer auf dich aufpassen!«
»Und das bist du?«
»Ja, das bin ich! Immer bin ich’s, verdammt nochmal! Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, du hast im Laufe der Zeit schon ziemlich viele verrückte Ideen gehabt, aber das hier ist wohl nicht mehr zu überbieten. Du bist entschlossen, dich in dieses zweifelhafte Abenteuer zu
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