Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
Zeit.«
Sie wandte sich um und hob den Korb wieder auf.
Lasseur merkte, wie er rot wurde. »Vielen Dank, Madame. Ich bringe sie dann zurück.« Er nahm die Seife und versuchte es nochmals mit einem Lächeln. »Das ist ein netter Hund.«
»Und er lässt sich leicht ablenken.« Die Frau sah den Hund an, und ein kurzer Ausdruck, den man beinahe als liebevoll hätte bezeichnen können, huschte über ihr Gesicht – aber vielleicht war es Lasseur nur so vorgekommen.
Der Hund sah zu ihr auf.
»Ich habe oft festgestellt, dass Hunde ausgezeichnete Menschenkenner sind«, sagte Lasseur.
»Er ist alt. Manchmal ist er etwas verwirrt.«
»Das Gefühl kenne ich«, sagte Lasseur. Er verbeugte sich kurz. »Nochmals vielen Dank für die Seife.«
Die Frau nickte, aber ihr Blick blieb neutral. Ernüchtert wandte Lasseur sich zum Gehen.
Die Frau und der Hund sahen ihm nach. Sie ging zu den Apfelbäumen. Plötzlich blieb sie stehen und sah sich nach dem Hund um, der sich nicht vom Fleck gerührt hatte und immer noch Lasseur nachsah.
»Rab.«
Der Hund wedelte mit dem Schwanz und kam angetrabt.
»Na, komm schon, Alter.«
Sie sah Lasseur nach, der gerade um die Scheune verschwand.
Hawkwood überprüfte gerade seine Verbände, als Lasseur auftauchte. Er grinste und warf ihm die Seife zu.
Hawkwood starrte ihn an.
»Ja, sie mag mich wirklich«, sagte Lasseur.
»Wenn dies mein letztes Stündchen wäre, würde ich als glücklicher Mann sterben«, sagte Lasseur zufrieden.
Die Männer saßen am Bach. Sie hatten sich die Decken um die Taille gewickelt und ihre Füße baumelten im kühlen Wasser, Hemden, Unterwäsche und Hosen lagen zum Trocknen in der Sonne.
Lasseur griff in seine Jackentasche und nahm mit einem zufriedenen Seufzer seine letzte Zigarre heraus. »Die habe ich für eine besondere Gelegenheit aufgehoben. Ich würde sagen, die Tatsache, dass wir jetzt den Gestank vom Hulk los sind, ist eine solche. Was meinst du?«
»Ich meine, du solltest dir deine Decke wieder umwickeln«, sagte Hawkwood. »Sie rutscht.«
Lasseur ordnete seine provisorische Bekleidung. »Mir kommt es vor, als ob ich eine dieser verdammten Togen anhabe.« Er stellte fest, dass er nichts hatte, um die Zigarre anzuzünden, also steckte er sie zwischen die Lippen und kaute nachdenklich darauf herum. »Wie ihr Mann wohl gestorben ist? Ob er im Krieg war?« Er sah hinter sich zum Haus, aber die Scheune war dazwischen.
»Wenn es so wäre«, sagte Hawkwood, »dann hätte ich gedacht, dass feindliche Kriegsgefangene das Letzte wären, was sie hier auf ihrem Grundstück haben wollte.«
Lasseur nahm die Zigarre aus dem Mund. »Du hast Recht. Das war keine sehr vernünftige Vermutung.« Er sah sich um und betrachtete die Scheune und die anderen Gebäude.
»Du kannst sie ja fragen«, sagte Hawkwood. »Da sie dich offenbar mag.«
»Vielleicht habe ich da etwas übertrieben«, sagte Lasseur. Er steckte die Zigarre wieder in den Mund, nahm ein paar kalte Züge, dann nahm er sie wieder heraus und rollte sie nachdenklich zwischen den Fingern. »Ich denke gerade darüber nach, dass diese Farm gar nicht groß ist, sie ist kleiner als die Farm, auf der meine Frau aufgewachsen ist. Trotzdem macht sie auch bei dieser Größe viel Arbeit. Das kann für eine alleinstehende Frau kein leichtes Leben sein.«
Das Leben war nie leicht für allein stehende Frauen, dachte Hawkwood, und doch, nach allem, was er gesehen hatte, könnte es viel schlimmer sein. Sie könnte zum Beispiel allein in der Stadt leben. Hier hatte sie alles, was sie brauchte. Ein Dach über dem Kopf, und mit den Tieren und dem Garten konnte sie sich auch ernähren und brauchte nicht zu stehlen oder sich an irgendeiner Straßenecke feilzubieten.
Den Mann namens Thomas hatten sie noch nicht zu Gesicht bekommen. Hawkwood fragte sich, was es wohl mit ihm auf sich hatte.
Seit sie auf der Farm waren, hatte sie kaum mit ihnen gesprochen, selbst wenn sie in einem Korb das Essen zur Scheune brachte. Er dachte über ihr Verhalten nach. Von Anfang an war es nicht besonders entgegenkommend gewesen. Für sie musste ihr Aufenthalt hier eine Zumutung sein. Aber er hatte den Eindruck, das wäre auch nicht anders, wenn sie Engländer wären. Die anderen, die ihnen geholfen hatten – der Schäfer, der Wirt, der Kapitän und der Totengräber -, waren alle wesentlich weniger zurückhaltend gewesen; vielleicht lag es daran, dass sie alle ihr Einkommen irgendwie außerhalb des Gesetzes verdienten, und auch wenn sie
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