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Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman

Titel: Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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anderen Ende des Wagens hatte sitzen lassen; und kein Wunder, dass die Frau sie so misstrauisch angesehen und ihnen zu verstehen gegeben hatte, sie sollten sich vom Haus fernhalten. Die Frage ging ihm durch den Kopf, ob das wohl auch der Grund war, warum alle so darauf bedacht gewesen waren, sie möglichst schnell an den Nächsten weiterzureichen? Weil jeder ihrer Fluchthelfer den Gestank nur für eine kurze Zeit aushalten konnte? Mit einem Ruck setzte er sich auf.
    Lasseur, der neben ihm gedöst hatte, spürte die Bewegung und war sofort wach. »Was ist los?« Seine Augen suchten den Waldrand ab.
    Hawkwood stand auf. »Ich werde jetzt ein Bad nehmen.« Er ging in die Scheune, holte seine Decke und machte sich auf zum Bach.
    Verwundert sah Lasseur ihm nach. Dann hob er seinen Ärmel, steckte die Nase in seine Achselhöhle und fuhr ebenfalls zurück.
    Der Privateer hatte immer großen Wert darauf gelegt, gepflegt auszusehen. Auf persönliche Sauberkeit zu achten war nicht schwer auf See, wo man von Wasser umgeben war. Unter diesen Umständen war auch das Wäschewaschen kein Problem und sicher viel einfacher als für einen Soldaten im Feld. Seit seiner Gefangennahme jedoch war das alles anders geworden.
    Zwar hatte es auf dem Hulk Waschgelegenheiten gegeben, sie waren jedoch angesichts der Anzahl der Gefangenen völlig unzureichend. Seife war äußerst knapp, oft hatte es gar keine gegeben. Lasseurs letztes Bad war am Tage seiner Ankunft gewesen, als er und Hawkwood und die anderen in die Wasserfässer auf dem Quarterdeck steigen mussten. Seitdem war Seife genauso knapp gewesen wie frisches Obst.
    Es war merkwürdig und eigentlich ziemlich beunruhigend, wie leicht man alle guten Angewohnheiten vergessen konnte, und zwar so gründlich, dass er und Hooper gegen den Gestank auf den Schiffen genauso immun geworden waren, wie Murat es vorhergesagt hatte. Keiner von ihnen merkte, welchen Duft sie verströmten.
    Lasseur musterte seine Kleidung. Es war nicht abzustreiten, sie starrte vor Dreck und musste ebenfalls dringend gewaschen werden. Er fand, dass es nicht genügte, sie nur mit klarem Wasser zu waschen, deshalb machte er sich auf zum Farmhaus.
    Der Hund lag vor der Tür. Als Lasseur sich näherte, stand er auf und bellte kurz.
    Die Frau kam um das Haus, einen Weidenkorb im Arm. In dem Korb war Wäsche, und hinter ihr sah Lasseur eine Wäscheleine, die zwischen den Apfelbäumen gespannt war.
    Der Hund hatte seine Aufgabe als Wächter erfüllt und setzte sich neben die Frau. Lasseur nahm an, dass er von ihm beobachtet wurde, obwohl es schwer war, durch das dichte Fell die Augen des Tieres zu sehen.
    Dagegen sah er die Augen der Frau sehr gut. Es fiel ihm auf, dass ihr wieder eine Haarsträhne lose über die Wange hing. Zu gern hätte er gewusst, wie alt sie war. Sie hatte Fältchen um die Augen, nicht tief, aber ohne sie, dachte er für sich, wäre ihr Gesicht nicht so ausdrucksvoll. Sie mochte um die dreißig sein, und er dachte daran, dass seine Frau Marie, wenn sie noch am Leben wäre, ebenso alt wäre. Plötzlich überkam ihn ein überwältigendes Gefühl von Verlust und Sehnsucht. Er schluckte und hoffte, dass die Frau diesen Moment der Schwäche nicht bemerkt hatte.
    »Verzeihen Sie, Madame. Dürfte ich Sie um etwas Seife bitten? Mein Freund und ich möchten baden und unsere Kleider waschen.«
    Er zerrte an seinem Hemd, als wolle er es an die Nase halten, und riskierte ein Lächeln.
    Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur stumm an. Lasseur wunderte sich, wie eingeschüchtert er sich vorkam. Verlegen knöpfte er seine Jacke zu und fuhr sich mit der Hand durch das wirre Haar. Er fragte sich, wie schlimm er wohl stank. Er war froh, dass er nicht näher getreten war.
    »Warten Sie«, sagte sie kurz. Sie stellte den Korb hin und verschwand im Haus.
    Lasseur und der Hund musterten sich stumm. Lasseur konnte nichts weiter sehen als eine rosa Zunge, die zwischen braunen Haarzotteln heraushing.
    Lasseur hockte sich hin. »Hallo, Rab. Braver Hund.«
    Der Schwanz bewegte sich kurz.
    Lasseur schnippte leise mit den Fingern.
    Diesmal folgte ein klares Wedeln, möglicherweise spitzte der Hund auch die Ohren.
    Zwei weitere Schnipser.
    Der Hund kam zu ihm und leckte seine ausgestreckte Hand. Dem Tier machte der Gestank offenbar nichts aus.
    Als die Frau aus dem Haus kam, stand Lasseur auf.
    »Hier -« Auf Armeslänge streckte sie ihm ein Stück Seife entgegen. Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Es wird wohl auch

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