Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
stand ein Mann mit strähnigem Haar. Lasseur konnte sein Gesicht nicht sehen, und sein Rücken nahm ihm auch die Sicht auf das Gesicht der Frau. Der Mann griff sich zwischen die Beine. Lasseur konnte nicht erkennen, ob er an sich hantierte oder an den Kleidern der Frau. Er sah, wie sie die Hand ausstreckte und die Schulter des Mannes packte.
Lasseur trat eilig zurück, besorgt, dass sie seinen Schatten am Fenster gesehen haben könnten. Das Wimmern, das er für ein Zeichen der Bedrängnis gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Ausdruck von Leidenschaft gewesen. Er sah auf den Hund hinunter, der ihn immer noch erwartungsvoll ansah, und lächelte reumütig. »Tut mir leid, Junge, aber ich glaube, dein Frauchen würde es nicht sehr schätzen, wenn wir sie jetzt stören würden.«
Lasseur versuchte sich zu erinnern. Hatte der Hund schon vorher gebellt? Er wusste es nicht. Vermutlich war er zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich den Dreck vom Hulk aus den Ohren zu waschen.
Der Liebhaber war vermutlich der Mann, den sie erwähnt hatte. Er versuchte, die völlig unsinnige Eifersucht zu unterdrücken, die in ihm aufstieg.
Er wollte gerade gehen, als er ein anderes Geräusch hörte und wie angewurzelt stehen blieb. Diesmal war es kein Irrtum. Die Worte, die jetzt fielen, waren rau und kamen von dem Mann, während der darauffolgende Schrei der einer Frau war, doch er klang weniger nach gesteigerter Leidenschaft als vielmehr nach großer Not.
Lasseur trat schnell ans Fenster zurück und spähte in die Küche. Die Stellung der beiden hatte sich kaum verändert. Die Frau lag noch immer auf dem Tisch, der Mann stand zwischen ihren Beinen. Doch diesmal sah Lasseur auch den Rest. Der Mann hielt seine linke Hand fest auf den Mund der Frau gedrückt, während er mit der Rechten an seinem Hosenlatz hantierte. Ihre Hand war noch immer auf seiner Schulter, aber jetzt sah Lasseur, dass sie den Mann nicht zu sich herunterziehen, sondern ihn wegstoßen wollte.Lasseur beobachtete die Szene noch immer, als die Frau den Kopf drehte und ihm ins Gesicht sah. Sie riss die Augen auf. Lasseur sah, dass ihre Bluse zerrissen war und dass ihre linke Brust fast völlig entblößt war. Dann sah er die Tränenspuren auf ihrem Gesicht.
Der Hund raste bereits an ihm vorbei, als er die Tür mit einem so gewaltigen Schwung aufstieß, dass sie gegen die Wand krachte.
Der Mann drehte sich um, die Hand über seinem halbgeöffneten Hosenlatz. In seinem Gesicht stand der Schock. Er hatte keine Narbe, es war also nicht der Mann, den Jess als ihren Helfer beschrieben hatte.
Knurrend stürzte der Hund auf ihn zu. Für sein Alter war er plötzlich äußerst beweglich.
Instinktiv holte der Mann zu einem Fußtritt aus. Der Hund jaulte laut vor Schmerz, als der Stiefel seine Rippen traf. Die Frau schrie auf, als Lasseur einen Satz machte und dem Mann mit der Faust einen kräftigen Kinnhaken verpasste. Man hörte das satte Geräusch, das entsteht, wenn Handknöchel auf Unterkiefer treffen. Mit einem schmerzhaften Grunzen zuckte der Mann zurück, doch Lasseur hatte seine Alkoholfahne bereits wahrgenommen. Er legte gleich noch nach, indem er den Mann am Arm packte und ihm eine Handvoll Haare ausriss. Er schleuderte den Mann quer durch den Raum. Die Frau ließ sich vom Tisch gleiten und fing an, ihre Kleider in Ordnung zu bringen. Der Hund bellte den Mann wütend an, dieser entwand sich Lasseurs Griff und taumelte rückwärts durch die offene Tür nach draußen. Lasseur, die Augen dunkel vor Zorn, stürzte hinter ihm her. Der Mann befühlte seine Lippe mit der Hand. Sie war blutig. Er starrte auf das Blut, dann auf Lasseur, schließlich auf die Frau.
»Du Schlampe! Du wolltest es doch! Sag bloß, dass es nicht wahr ist!«
Sie stand in der Tür und hielt die zerrissene Bluse mit der Hand zusammen. Ihr Gesicht brannte, sie atmete schwer.
»Nicht mit dir, Seth! Mit dir niemals! Eher friert die Hölle zu.«
Der Blick des Mannes wanderte zu Lasseur, dann sah er zur Seite. Lasseurs Herz blieb stehen, als er sah, was der Mann gerade entdeckt hatte.
Sie bewegten sich gleichzeitig, aber Lasseur wusste, dass er es nicht schaffen würde, er war zu weit entfernt. Mit einem Ruck zog der Mann die Axt aus dem Hackklotz. Sein Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Erst mach ich dich fertig, dann nehme ich sie mir vor.«
Lasseur sah sich nach einer Waffe um. Er ergriff einen Prügel und hielt ihn vor sich wie eine Keule. Es schien ein hoffnungsloses
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