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Das Hohe Haus

Das Hohe Haus

Titel: Das Hohe Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Willemsen
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spielt Franz-Josef Holzenkamp ( CDU / CSU ) den Ball auch gleich an die Opposition zurück: »Wir haben es satt, dass Sie jedes Jahr zur Internationalen Grünen Woche versuchen, gemeinsam mit Ihnen nahestehenden Lobbyorganisationen einen Skandal zu inszenieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen.« »Da spricht doch der größte Lobbyist!«, schallt es von Christian Lange ( SPD ) zurück. Schon diese erste Debatte des Jahres wird also auch um die Unabhängigkeit des Parlaments geführt. Sie ist unverblümt im Verweis auf das eigentlich Heimliche, die Durchsetzung von Interessen, die nicht die des Volkes sind.
    »Welches Gesellschaftsbild haben Sie?« Jetzt ist der CDU -Mann wirklich zornig: Sie legen »die Axt an die deutsche Landwirtschaft«.
    Unter den vierzig Leuten, die in diesem Moment die Zuschauertribüne verlassen, ist ein Mann mit der T-Shirt-Aufschrift: »It was all a dream.« Die meisten lächeln, als habe man sie beim Verlassen eines Sexshops erwischt. »Sie haben offensichtlich kein Problem mit dem Ausverkauf der deutschen Landwirtschaft«, wettert der Redner gerade und lobt die Flatulenz der Hochleistungskuh, die, so sagt er, weniger Gas produziere und deshalb ökologisch unbedenklicher sei.
    Der Außenstehende staunt, wie hier Morast aufgewirbelt wird. Dass neben Ilse Aigner an diesem Tag der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes und der Vizepräsident des niedersächsischen Landesbauernverbandes gesprochen haben, mag parlamentarisch zulässig sein, denn sie sind Abgeordnete. Dass es sich dabei aber auch um Vertreter von Interessenverbänden handelt, das hat Hautgout. Deshalb spricht Wilhelm Priesmeier ( SPD ) diese Redner direkt an: »Können Sie als Kollege die Argumentation, die Sie im Präsidium Ihres Verbandes vortragen, von dem unterscheiden, was Sie hier im Bundestag vortragen?«
    Es gibt Zwischenrufe, auch höhnische, doch das stimuliert den alten Sozialdemokraten nur. Ja, sein Typus existiert noch: Die Stimme orgelt, er redet handfest, zeigt sich entgegenkommend hier, robust dort und scheut keine Verschärfung: »Wenn die Debatte hier schon eskalieren soll, dann setze ich in der Beziehung noch einen drauf. (…) Ich achte natürlich Ihre Argumentation und auch Ihren Sachverstand. Aber ich glaube, dass man da zwei Dinge auseinanderhalten muss: Das eine ist die politische Aufgabe und Funktion, die man wahrnimmt, das andere ist die Interessensvertretung in Verbänden.«
    Die Debatte verlagert nun endgültig den Schauplatz. Es gibt nur ein Thema von höherem Ernst als alle Sachfragen, das ist die Würde des Hohen Hauses selbst, so wie sie durch die verfassungsgemäße Unabhängigkeit der Abgeordneten gegeben ist. Doch diese haben sich schon verbissen und demontieren einander wechselseitig: »Heute Abend sitzen wieder alle beim Bundesverband Vieh und Fleisch«, spottet Priesmeier ( SPD ). Als Retourkutsche deklariert Hans-Georg von der Marwitz ( CDU / CSU ) umgekehrt alle »eindrücklichen Bilder und Horrormeldungen« von Lebensmittelskandalen als PR der Öko-Lobby zum Auftakt der Grünen Woche. Der Zuschauer aber sieht sich plötzlich vom Blick in die Strukturen hinter der öffentlichen Politik düpiert und geht im Gefühl, dass das Abgekartete wenigstens keine Diskretion kennt. Über die Realität der »Lebensmittelskandale« aber sagt die Debatte jetzt nur noch wenig aus.
    Ein Fotograf fixiert Peter Hintze ( CDU / CSU ), der gerade wie in der Schule die schützende Hand über das Papier führt, damit niemand abschreibe, während die Saaldiener im Frack Wassergläser reichen. Der Präsident schließt die Aussprache. Erst bei der Abstimmung wird es still, dabei votieren alle in der Geschlossenheit ihrer Fraktion, ohne Enthaltung.
    Bei den neuen Haltungsrichtlinien für Puten war der Zulauf groß, bei der Befragung der Bundesregierung zum Sektor Luftfahrtstrategie verlassen die meisten den Saal. Die Forderung nach mehr Mitteln kontert Hintze mit dem ägyptischen Sprichwort: »Eine Palme wächst nicht schneller, wenn man an ihr zieht.« Für Wolfgang Tiefensee ( SPD ) heißt dies, dass Hintze »etwas von Palmen, aber nichts vom Luftverkehr versteht!«. Damit ist man beim Grundakkord wieder angekommen, der wechselseitigen Missbilligung und rhetorischen Ehrabschneidung.
    Im Saal herrscht jetzt, wie der Schriftsteller Anton Kuh gesagt hätte, »schwatzhafte Zwischenaktstimmung«, »ein gemütliches, halblautes Brodeln«. Viele unterstellen dem Bundestag Langeweile,

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