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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Architekt oder Produzent getippt.«
    Decker blickte an seinem altmodischen Anzug und dem weißen Hemd hinunter. Der gestreifte Schlips saß locker, die Schuhe waren abgewetzt. Er hatte nichts an sich, was auf Geld oder Einfluß schließen ließ.
    »Aber andererseits«, fuhr die Frau fort, »hat schon mein zweiter Gatte Lionel immer gesagt, ich hätte zwar ein gutes Auge für Liebhaber, aber überhaupt keine Menschenkenntnis.«
    Decker mußte Lionel in beiden Punkten recht geben.
    Dr. Hennons Büro war klein, aber freundlich. Hellgelbe Wände mit farbenfrohen Postern, ein vollgepackter Schreibtisch, eine Pinnwand mit Notizen und Zeitungsausschnitten aus Fachblättern, ein Resopaltisch mit Abgüssen von Zähnen und Kiefern. An der Wand über dem Schreibtisch hing ein großer Röntgenbildbetrachter.
    Links neben dem Betrachter hing ein Bild von einem Mann und einer Frau im Sonnenuntergang. Eine eindrucksvolle Aufnahme, beherrscht von kraftvoll leuchtenden Orange- und Lavendeltönen. Die Sonne hob das Gesicht der Frau so stark hervor, daß es fast wie ausgebleicht schien. Sie war etwa Mitte Dreißig, hatte milchig grüne Augen und metallisch schimmerndes, rostrotes Haar. Das scharf geschnittene, lange Gesicht lief in einem kräftigen Kinn mit einem Grübchen aus.
    Decker klappte die braune Akte auf und suchte sich schon einmal den Obduktionsbericht über die beiden unbekannten Toten, die sogenannten Jane Does, heraus. Einen Augenblick später kam die Frau von dem Foto herein und streckte ihm die zarte, manikürte Hand hin. Er schlug ein.
    »Annie Hennon«, sagte sie und schüttelte ihm die große, sommersprossige Hand. »Pete Decker.«
    »Danke, daß Sie zu mir ins Büro gekommen sind, Pete.«
    »Keine Ursache.«
    »Ich bin Ihnen wirklich dankbar. Die meisten Ihrer Kollegen wissen nicht, daß man vom zahnmedizinischen Gutachten für die Polizei nicht leben kann. Ich sehe mir im Jahr vielleicht ein Dutzend Schädel an, nur bei Katastrophen werden es mehr. Aber die sind uns zum Glück in letzter Zeit erspart geblieben. Wenn ich mir extra einen Tag frei nehmen muß, um mich mit Ihnen in der Gerichtsmedizin zu treffen, geht das ganz schön ins Geld.«
    »Ist mal eine angenehme Abwechslung, in einen friedlichen Stadtteil zu kommen«, sagte er. »Das ist eine schöne Aufnahme von Ihnen.«
    »Sieht besser aus als das Original, hm?«
    »So war das nicht gemeint.«
    Sie lachte. »Ich bin furchtbar. Danke. Es ist wirklich ein schönes Bild. Mein Bruder und ich. Unsere Mutter hat es geknipst. Sie fotografiert nicht schlecht.«
    Sie rückte ihm einen Stuhl an den Schreibtisch, und sie setzten sich.
    »Im Grunde habe ich es meinem Bruder zu verdanken, daß ich heute zahnmedizinische Gutachten für die Polizei erstelle«, sagte sie. »Er hat mein Interesse an der forensischen Odontologie geweckt. Er und Heinz.«
    »Heinz?«
    »Heinz Buchholz. Ein weißhaariger Gnom von einem Mann, der dadurch in die Geschichtsbücher eingegangen ist, und der Hitlers Kiefer identifiziert hat. Als ich Zahnmedizin studiert habe, war er fünfundsechzig, vielleicht auch schon siebzig, und er ist immer durch die Labors gegeistert und hat die Studenten gefragt, ob er wohl mit seinen Aufstellplatten die Prüfung der staatlichen Zulassungsbehörde bestehen würde. Können Sie sich das vorstellen? Ein wichtiger Mann wie er, mit Ehrungen überhäuft, ein Pionier der forensischen Zahnheilkunde mußte sich um seine Zulassung Sorgen machen.«
    Sie schüttelte den Kopf und sah Decker an.
    »Sie haben Babs Terkel ziemlich beeindruckt«, sagte sie trocken.
    »Wie bitte?«
    »Meine letzte Patientin. Die Wasserstoffblondine mit der großen Oberweite. Sie ist noch mal zurückgekommen und hat meine Sekretärin nach Ihnen ausgehorcht.«
    »Ich habe bloß ihr Lächeln bewundert.«
    Hennon spreizte die Finger und legte sich die Kuppen an die Lippen. »So verwandelt man Porzellan in Gold. Gute Arbeit, was?«
    »Kann man wohl sagen. Sie hat ein prachtvolles Gebiß.«
    »Aber erst seit kurzem«, sagte die Zahnärztin mit Nachdruck. »Sie hätten sie mal sehen sollen, als sie das erste Mal hier zur Tür hereinkam. Das reinste Meerschweinchen.« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. »Babs ist schon in Ordnung – furchtbar in sich selbst verliebt, aber verläßlich. Hält immer ihre Termine ein und bezahlt die Rechnungen. Von der Sorte könnte ich Tausende gebrauchen.«
    Sie ging hinaus und kam mit zwei Tassen Kaffee zurück.
    »Nehmen Sie Zucker? Sahne habe ich keine

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