Das Hohelied des Todes
tauchen ungefähr fünfzehn Mann auf …«
»Officer …«
»… und nehmen die arme Nutte solange ran, bis sie ohnmächtig wird. Als sie wieder zu sich kommt, machen sich sechs Kerle an ihr zu schaffen, an jeder erdenklichen Körperöffnung. Das Blut spritzt nur so durch die Gegend …«
»Ich bitte Sie!«
»Wissen Sie, was passiert war?« Er lächelte. »Sie hatten ihr von der Vagina aus die Bauchdecke durchstoßen …«
»Ich probiere doch noch mal, Mr. Arlington zu erreichen.«
»Grandiose Idee, Ms. Scott«, sagte er lächelnd. Er sah lange in ihr schönes, inzwischen fast kränklich weißes Gesicht. Beinahe hätte sie ihm leid getan.
Fünf Minuten später kam Arlington hereinmarschiert. Von der Razzia im Pornokino her hatte Decker ihn als ein schmächtiges Kerlchen in Erinnerung, das in der Ecke kauerte und vor den umherspritzenden Fleischfetzen in Deckung ging. Aber in seinem eigenen Revier wirkte er wuchtiger, wie aufgebläht von Empörung und Machtgefühlen. Seine schwarzen Augen sprühten, und die vor Anspannung fast weißen Lippen bebten. Das einzige, was seine scharfen Züge milderte, war die knollige, blaurot geäderte Nase, eine Folge übermäßigen Schnapsgenusses.
»Was erlauben Sie sich eigentlich, Detective?« brüllte er. »Ich werde jetzt auf der Stelle Ihren Vorgesetzten anrufen und …«
»Ich bin nicht dienstlich hier, Mr. Arlington. Warum gehen wir nicht auf ein Schwätzchen in Ihr Büro?«
»Verschwinden Sie!«
»Mr. Arlington, ich habe Ihnen einiges zu sagen, was ich nur ungern vor Ihrer Sekretärin ausbreiten würde.«
»Verständigen Sie den Wachdienst, Monique«, befahl Arlington.
Decker riß ihr das Telefon weg.
»Sie haben eine Frau und sechs Kinder«, sagte Decker rasch. »Sicher ist Ihre Familie über die gute Monique hier im Bilde. Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob sie auch über Ihre anderen kleinen Eigentümlichkeiten Bescheid wissen. Ich kläre sie gern darüber auf, wenn Sie wollen. Schließlich war ich dabei, als Sie verhaftet wurden, Freundchen.«
Arlington überlegte kurz und beruhigte sich sichtlich. Vollkommen gefaßt schloß er schließlich die Tür zum Chefbüro auf und ließ Decker den Vortritt.
Der Raum wirkte dunkel und streng, es roch nach Leder und teurem Tabak. Der konservierte, drei Meter breite Schreibtisch, auf dessen lederner Platte ein Schreibset aus Marmor und ein Tintenfaß aus Kristallglas thronten, war mit aufwendigen Schnitzereien verziert. An den mit weinrotem, geprägtem Leder bespannten Wänden standen Bücherschränke, die bis zur Decke reichten. Dazwischen hingen Ölgemälde, flämische Meister, die Decker zum größten Teil fremd waren, aber daß es sich nicht um billige Kaufhausdrucke handelte, war auch ihm klar. Immerhin erkannte er einen Frans Hals über dem marmornen Kaminsims und einen Vermeer an der Wand gegenüber. Decker setzte sich in einen Ledersessel und legte die Füße auf einen Hocker. Neben ihm stand ein Globus, den er in Bewegung versetzte, bis sich die Länder unter seinen Fingerspitzen hurtig drehten.
Arlington nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.
»Wer ist Ihr Vorgesetzter?«
Decker warf ihm seine Visitenkarte hin.
»Rufen Sie diese Nummer an. Fragen Sie nach Captain Morrison. Er wird bestreiten, mich zu Ihnen geschickt zu haben. Wenn Sie wollen, können Sie mir jede Menge Scherereien machen.«
Arlington griff zum Hörer, legte aber nach kurzem Zögern wieder auf. Wortlos öffnete er eine Schublade und holte ein Bündel Geldscheine heraus.
»Wieviel?«
»Ich will kein Geld. Ich brauche Informationen.«
»Wie ich bei der Polizei bereits ausgesagt habe, wurden die Vorführungen von Cecil Pode arrangiert. Er ist tot. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.«
»Sicher, Pode hat den Vertrieb organisiert, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie sich persönlich mit so einer dreckigen Ratte abgegeben hätten. Sie hätten sich einen ehrbareren Geschäftspartner gesucht – oder zumindest jemanden, der sich einen Anstrich von Rechtschaffenheit hätte geben können.«
Arlington schürzte die Lippen.
»Ich habe Ihnen nichts zu sagen.«
»Also muß ich wohl doch Ihr liebes Frauchen anrufen. Übrigens habe ich auch einen Freund bei der Times …«.
»Dann werde ich gegen Sie klagen. Ich ruiniere Sie.«
»Das glaube ich Ihnen gern.« Decker stand auf und schlurfte, die Hände in den Taschen, zum Vermeer hinüber. »1970 war ich im Rijksmuseum in Amsterdam. Ein solches Schmuckstück mitten in dieser
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